: Am Ende der Loipe
■ Der Kriminalroman „Begrabene Hunde schlafen nicht“von Gunnar Staalesen
„Der Tod kennt viele Verkleidungen“– nicht unbedingt originell, aber immerhin recht vielversprechend beginnt so der neue Roman Gunnar Staalesens. Begrabene Hunde schlafen nicht – auch das mag angehen, jedenfalls was die Belange von Privatermittlern betrifft. Varg Veum ist ein solcher Ermittler, bereits zum zehnten Mal und vom norwegischen Bergen aus.
Und doch, bei all den vertrauten Tönen eines guten Krimis, bei seinen präzise eingespielten Rahmenbedingungen, bleibt vor allem der Eindruck eines Mißverständnisses.
Ein Mißverständnis darüber, was hier eigentlich auf welchen Wegen transportiert werden soll. Zunächst aber geht es noch um einfachen Personenschutz, um nicht mehr als darum, einen völlig verängstigten Mann auf dem Gang zu seinen Schuldnern zu begleiten. Dieser Auftrag – und dazu ist er einzig da – führt den Detektiv aus seiner heimatlichen Umgebung heraus und mitten in die neue und schlechte Zeit. Sprich: Sie führt ihn nach Oslo und wächst sich dort, wie es sich für moderne Hauptstädte gehört, schnell zu größer angelegten Dimensionen aus. Weil aber auf bestimmte Dinge doch Verlaß ist, steht auch hier, am Beginn der eigentlichen Geschichte, die flüchtige Begegnung mit einer Frau. Eine Begegnung, die nicht nur zur Nachfrage Anlaß gibt, sondern auch zügig zur ersten Leiche hinführt.
Unversehens befindet sich Varg Veum in einem gefährlichen Netz übelster Machenschaften – das alles ist bekannt und für die Lektüre von Kriminalromanen schlicht vorauszusetzen. Dabei aber bleibt es eben nicht. Staalesen besteht vielmehr darauf, direkt auf die wirklichen Ausmaße der Geschichte zuzusteuern. Und die sind, wie schon angedeutet, wahrhaft eindrucksvoll.
Um es kurz zu machen: Was Varg Veum dort im Oslo unserer Tage zum Thema ultrarechter Wirtschaftskriminalität ermittelt, das ist in erster Linie gar kein Kriminalfall oder Politthriller, sondern vor allem eine moralisch empörte Bestandsaufnahme zum Werte- und Demokratieverfall in der Gegenwart.
Wie der brave Bürgersmann macht der Roman da wenig Unterschiede. Voyeuristische Medienspektakel, postmoderne Architektur und neonazistische Gewalt. Das alles und noch viel mehr gerät ihm auf seinen Wegen durch Oslo zu einem riesigen Krisensymptom.
Der Aufklärungseifer ist gewaltig, so gewaltig, daß er auch den Mord am schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme gleich miteinschließt. Und wie um sicherzugehen, daß auch alle folgen können, stellt der Roman die notwendigen Informationen quasi in Vortragsblöcken – als das eine oder andere längere Gespräch – zur handlichen Verfügung. Ärgerlich genug – kriminaltaugliche Handlungsmotive wie Eifersucht und Habgier rangieren hier als bloße Platzhalter für die wirklichen, und d.h. für die großen politischen Zusammenhänge. Was aber noch schlimmer ist – sie bürgen für einen moralischen Anstandsunterricht erster gesellschaftlicher Größenordnung.
Elisabeth Wagner
Gunnar Staalesen: Begrabene Hunde schlafen nicht. Aus dem Norwegischen von Kerstin Hartmann. Rasch und Röhring Verlag, Hamburg 1997, 340 Seiten, DM 39,80.
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