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Alternativer Nobelpreisträger Fazal"Globales Interpol für Verbraucher"

Ein Campus für zivilgesellschaftliche Bewegungen und eine starke internationale Konsumentenbewegung können beim Umsteuern des Planeten helfen, meint Anwar Fazal.

"Es geht darum, engagierten Menschen Mentoren zur Seite zu stellen": Studentinnen in Kenia. Bild: dpa
Interview von Annette Jensen

taz: Herr Fazal, der alternative Nobelpreis zeichnet Personen aus, die nach Lösungen für Menschheitsprobleme suchen. Glauben Sie, dass zivilgesellschaftliche Gruppen ein Umsteuern erzwingen können?

Anwar Fazal: Jeder Crash enthält eine Chance für einen Neuanfang. Änderungen kommen manchmal sehr schnell. Es gibt Kipppunkte, wo plötzlich das Fenster für neue Entwicklungen aufgeht. Dann ist es notwendig, dass wir vorbereitet sind - und Informationen, Vorbilder und Konzepte haben.

Nach dem Finanzmarktcrash vor zwei Jahren war nicht viel von Alternativen zu sehen.

Das stimmt. Wir haben eine große Chance verpasst - obwohl es schon viele Alternativansätze weltweit gibt. Aber sie wurden noch nicht ausreichend sichtbar.

Wie kann man das beim nächsten Mal ändern?

Meine Erfahrung ist: In jeder Bewegung sollte es Menschen aus drei Generationen geben. Auch deshalb haben wir Kooperationen mit verschiedenen Hochschulen vereinbart. Meine Universität in Penang in Malaysia hat schon einen entsprechenden Campus eingerichtet. Im schwedischen Lund gibt es den zweiten und im September wurde auch eine Kooperation mit der Bonner Universität verabschiedet. Die Vorbereitungen auf dem Campus in Addis Abeba laufen.

Sind das dann richtige Studiengänge?

Wir werden keine Diplome vergeben oder so etwas. Es geht darum, das Wissen der alternativen Nobelpreisträger auf breiter Ebene zugänglich zu machen und jungen, engagierten Menschen Mentoren zur Seite zu stellen. Neben Vorlesungen, Publikationen, Workshops und Aktionstagen wird es auch die Unterstützung von Forschung geben. Auch auf anderer Ebene versuchen wir, das vielfältige zivilgesellschaftliche Wissen einfach zugänglich zu machen.

Kann man lernen, zivilgesellschaftliche Bewegungen zu organisieren?

Damit sich positive Änderungen durchsetzen, haben sich fünf Machtbereiche als sehr nützlich erwiesen. Die erste ist die Macht des Einzelnen: Jeder hat Entscheidungsmöglichkeiten und kann mit etwas anfangen, wovon er überzeugt ist. Wenn mehrere Leute die Überzeugung teilen und ebenfalls anfangen, können schnell zehn, hundert, tausend Leute gemeinsam vorangehen.

Das ist ja nicht planbar.

Wir wollen natürlich, dass Bewegungen schnell wachsen - schließlich entwickeln sich auch viele Missstände schnell. Deshalb muss man Kipppunkte hin zu einer "Macht der vielen" organisieren. Dabei müssen Allianzen mit Organisationen und Leuten gesucht werden, die bei dem Thema mehr im System drin sind, aber im konkreten Fall Unterstützung versprechen. Andockpunkte gibt es zum Beispiel oft bei den Kirchen, weil sie bestimmte Werte vertreten, oder auf internationaler Ebene UN-Organisationen.

Müssen das immer Großinstitutionen sein?

Keineswegs. Es geht dabei auch nicht um formelle Verabredungen, sondern um "die Macht der lockeren Verbindung". Dazu gehört auch das Internetportal Avaaz.org, das weltweite Unterschriftenkampagnen organisiert und dabei sehr kreativ ist. Die Avaaz-Besucher konnten sich zum Beispiel an einer Protest-Bootsfahrt gegen Guantánamo beteiligen, indem sie eine Figur gestalteten und Freunde zum Mitfahren animierten. So kommen schnell Millionen von Leuten zusammen, die demonstrieren, dass sie ein Thema im Blick haben. Wer so etwas ignoriert, wird einen Preis bezahlen müssen - vielleicht nicht gleich, aber längerfristig.

Was ist noch wichtig, um eine Bewegung erfolgreich zu machen?

Wichtig ist die "Macht der Information". Das Problem heute ist, dass es oft viel zu viel Informationen gibt. Um das zu systematisieren, gibt es jetzt auf den Internetseiten des alternativen Nobelpreises einen thematischen und regionalen Suchfilter.

Kommt man so zu einem Erfolg?

Ja, man kann. Am wichtigsten scheint mir die "Die Macht des Erfolgs" zu sein - wenn etwas schon einmal geklappt hat. Zum Beispiel haben erstmals in der Antike Frauen von kriegsführenden Heeren einen Sex- und Gebärstreik verabredet, weil sie es verrückt fanden, dass ihre Männer und Söhne ausgerechnet für die Verteidigung ihrer jeweiligen Familien sterben sollten. Das gleiche Mittel haben später Frauen in Nordamerika und vor Kurzem in Kenia angewandt. Professor Gene Sharp hat erforscht, welche erfolgreichen Widerstandsmethoden es bereits gegeben hat, und ein überaus systematisches Buch darüber verfasst: "198 Methods of Nonviolent Action".

Sie haben vor fast 40 Jahren die Konsumentenbewegung in Asien initiiert, Malaysia hatte als eines der ersten Länder weltweit ein Verbraucherschutzministerium. Wie kann heute Verbraucherschutz besonders effektiv sein?

Es kommt darauf an, dass Verbraucherschützer überall präsent sind. In malaysischen Zeitungen und Zeitschriften gibt es jetzt spezielle Seiten zu Konsumentenfragen. Wir gehören zu den Top 10, was die Auflage betrifft. Und wir agieren global. So wie Interpol bei der Suche nach Verbrechern grenzüberschreitend arbeitet, so tut es die internationale Konsumentenbewegung inzwischen auch mit "Global Interpol".

Was machen die?

Wenn eine Firma irgendwo negativ auffällt und danach versucht, einfach in ein anderes Land auszuweichen, dann können die Menschen dort sofort unsere Recherchen nutzen. Oft hören die Regierungen durch unser Netzwerk auch erstmals von den Problemen, die da auf ihr Land zukommen. Was wir sehen, ist, dass viele Firmen heute viel sensibler sind als früher, was Konsumentenprotest angeht. Das Letzte, was sie wollen, sind negative Schlagzeilen.

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