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Alternativen zu ZuchtlachsKlingt lecker, ist aber keine gute Idee

Frischer, gebeizter, geflammter Salm? Lachs sollte nicht die erste Wahl sein, wenn das Essen nachhaltig, umweltfreundlich und gesund sein soll.

Foto: dpa/picture alliance

HÄRNÖSAND taz | Von Parasiten zerfressen oder anderweitig krank, viele Tiere schon vor der Schlachtreife tot, die Zertifizierung intransparent: Es klang wenig appetitlich, was Foodwatch zuletzt über Zuchtlachs aus Norwegen berichtete. Die Verbraucherschutzorganisation forderte deutsche Supermarktketten auf, den Lachs nicht mehr zu verkaufen, bis die Probleme gelöst seien. Aber gäbe es überhaupt eine gute Alternative?

Dass viele Bestände überfischt sind und die Zucht sehr viele Ressourcen braucht, ist bekannt. „Die deutschen Verbraucher sollten verinnerlichen, dass Lachs eine seltene Delikatesse ist und kein Alltagslebensmittel sein kann“, sagt deshalb Philipp Kanstinger.

Kanstinger ist Experte für Meere und Fischerei des Umweltverbands WWF und erklärt, dass es aus Umweltsicht viel sinnvoller sei, kleinere Schwarmfische wie Heringe, Sardinen oder Sardellen direkt zu essen, als sie an die Lachse zu verfüttern – für das zur Mast verwendete Fischöl werden Fische, die eigentlich Menschen ernähren könnten, unter anderem vor der Küste Nordwestafrikas weggefischt.

Aquakultur und Fischerei hätten immer Auswirkungen auf die Umwelt, sagt Kanstinger. Soll es dennoch unbedingt Zuchtfisch sein, empfiehlt er sogenannte Friedfische wie Karpfenartige oder solche, die ohne Fisch ernährt werden – wie Wels, Pangasius und Tilapia.

Denn Norwegen ist keineswegs eine böse Ausnahme – wenn auch einer der größten Player in der Lachszucht. Weil sich der Fisch verkauft wie geschnitten Brot, entstand in den vergangenen Jahrzehnten eine riesige Lachsindustrie mit Massentierhaltung früher nicht vorstellbaren Ausmaßes. Dass es Probleme geben könnte, wenn man einen eigentlich weit reisenden großen Raubfisch in Massen in Netzkäfigen im Meer zusammenpfercht, war zunächst wohl ebenfalls nicht vorstellbar.

Regionale Unterschiede

In Europa gibt es Zuchtlachs auch aus Schottland, Irland, Island und von den Färöer-Inseln. Ihn von dort statt aus Norwegen zu beziehen, hilft der guten Sache aber nur bedingt: „Die Mortalitätsraten sind in der konventionellen Aquakulturzucht in Nordeuropa überall ähnlich hoch, unabhängig von den spezifischen Produktionsländern“, sagt Kanstinger.

Trotzdem gibt es regionale Unterschiede. So stehen in Irland viele biozertifizierte Zuchtfarmen, die Färöer haben keinen Wildlachs und deshalb auch nicht das Problem mit genetischer Vermischung durch entkommenen Zuchtlachs.

Und Norwegen bietet das transparenteste Management: Das nationale Veterinärinstitut in Ås hat den Auftrag, die Bedingungen der Lachszucht wissenschaftlich zu dokumentieren. „Die Branche meldet die Anzahl verendeter Fische monatlich“, erklärt Edgar Brun, Leiter der Abteilung Fischgesundheit und Fischwohl. „Davon ausgehend berechnet das Veterinärinstitut die Sterblichkeit über das Jahr.“ 2023 verendeten 16 Prozent der Lachse in den Zuchtkäfigen im Meer, in Zahlen: 63 Millionen. Zusätzlich starben 40 Millionen schon in der Jungfischphase.

Neue Technologien

Brun vergleicht die industrielle Lachsproduktion mit der Geflügel- und Schweineproduktion. Die norwegische Lachsbranche habe zuletzt ihren Fokus darauf gerichtet, die Situation mithilfe neuer Technologien und präventiver Gesundheitsmaßnahmen zu verbessern.

Als Beispiele nennt Brun die strategische Platzierung von Farmen, die helfen soll, direkten Wasserkontakt zwischen verschiedenen Anlagen zu reduzieren, sowie halbdichte Netzgehege und Barriereschürzen, die die Lachslaus daran hindern soll, den Fisch dahinter zu erreichen.

Dasselbe Ziel verfolgen absenkbare Gehege, die den Lachs in Tiefen halten, in denen die Parasiten normalerweise nicht leben. Zudem starte die Branche derzeit ein Projekt, bei dem die norwegische Küste in einzelne Regionen mit strengen Biosicherheitsregeln eingeteilt werden soll, um den Kontakt zwischen diesen Regionen zu minimieren. „Das wird potenziell die effektivste Maßnahme sein“, meint Brun.

Der WWF nennt in seinem Fischratgeber Chile als einziges Zuchtlachsland namentlich in der Kategorie rot, was bedeutet: „Lass es bleiben!“ „Die Lachszucht in Europa ist aufgrund der allgemein stärkeren Umweltgesetzgebungen und Kontrollen in einigen Bereichen besser als etwa in Chile und Russland“, ergänzt WWF-Meeresexperte Kanstinger.

Gelb eingestufte Arten

Wenn Karpfen, Wels oder anderer Fisch aus der empfohlenen grünen Kategorie nicht verfügbar sei, könnten aus Sicht der Naturschutzorganisation „gelegentlich“ – gemeint ist drei- bis viermal pro Jahr – als gelb eingestufte Arten verzehrt werden. Darunter fällt auch Zuchtlachs aus Europa, inklusive Norwegen.

Der schwedische WWF hatte zuletzt eine einzige Lachsart mit „grün“ bewertet – die aus den recht neuen Kreislaufanlagen an Land in Norwegen. In Deutschland ist der Fisch nicht auf dem Markt. „Grundsätzlich haben geschlossene Kreislaufanlagen in vielen Bereichen einen besseren ökologischen Fußabdruck“, so Kanstinger. Aber: Problemfelder wie Tierwohl und der hohe Wildfisch-Verbrauch als Futter seien nicht ausreichend gelöst.

Wer unbedingt Lachs – aber nicht aus der Zucht – essen möchte, für den ist die beste Wahl laut Kanstinger MSC-zertifizierter pazifischer Wildlachs aus Alaska. Aber auch das eben nicht täglich, sondern als seltene Delikatesse.

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