Alternativen zu Gorleben: Bis zu fünf Atomendlager-Orte prüfen

Michael Sailer, Berater von Umweltminister Röttgen, rät zu einer neuen bundesweiten Endlagersuche zur Entsorgung von Atommüll. "Endlich kommt Bewegung in die Sache", meint man in Gorleben.

Behälter mit radioaktiven Abfällen im atomaren Zwischenlager in Gorleben. Bild: dpa

BERLIN/GORLEBEN dpa | Der oberste Regierungsberater bei der Entsorgung von Atommüll, Michael Sailer, rät zu einer neuen bundesweiten Endlagersuche mit der Prüfung von vier bis fünf Standorten.

Diese seien durch ein fachlich fundiertes Auswahlverfahren am besten bis 2014 oder 2015 zu bestimmen, sagte der Leiter der Entsorgungskommission (ESK) der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Die ESK berät das Umweltministerium in Atommüllfragen.

"Diese vier bis fünf Orte könnte man dann detailliert prüfen, und untereinander sowie mit dem bisher erkundeten Standort Gorleben vergleichen", sagte Sailer. "Wenn man sich zuvor schon gegen Gorleben entscheidet, wäre unter diesen in die Endauswahl genommenen Standorten ein Endlagerort auszuwählen."

Die Gegner eines Atommüllendlagers in Gorleben begrüßten den Vorstoß. "Endlich kommt Bewegung in die Sache. Denn die Einbahnstraße Gorleben wird sich als Sackgasse erweisen", sagte der Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke, der dpa. Der Sailers Vorschlag sei ein positives Signal.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) will bis Jahresende ein Gesetz vorlegen, wie es in der Endlagerfrage weiter gehen soll. Bewegung war in das Thema gekommen, weil im Zuge der Energiewende auch Baden-Württemberg und mit Abstrichen Bayern sich offen gezeigt hatten für einen neuen Anlauf. Die beiden Bundesländer, wo mit am meisten Atommüll produziert wird, haben potenzielle Endlagergebiete.

Spitzengespräch im Herbst

Die Bundesregierung will die Endlagersuche gemeinsam mit allen Ländern angehen. Im Herbst sei dazu ein Spitzengespräch zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten geplant, berichtet der Spiegel.

Seit rund 30 Jahren hat sich die Politik auf den Salzstock im niedersächsischen Gorleben konzentriert, die Atomindustrie hat hier mehr als 1,5 Milliarden Euro investiert. Aber es gibt Zweifel, ob das Salz den hoch radioaktiven Müll in rund 800 Metern Tiefe sicher einschließen kann oder ob etwa Wassereinbrüche drohen könnten.

"Ich hoffe darauf, dass die Politik das jetzt anpackt", sagte Sailer mit Blick auf eine mögliche neue Endlagersuche. Um massive Proteste zu vermeiden, sei es wichtig aus Gorleben, wo teils arrogante Entscheidungen getroffen worden seien, Lehren zu ziehen. "In so ein Gesetz muss folgendes rein: 1. Dass es ein transparentes Verfahren gibt, 2. Wer entscheidet, 3. Wie konkret die Bürgerbeteiligung aussieht und 4. Ein Zeitplan, der unter anderem vorsieht, dass man bis 2014 oder 2015 die vier bis fünf Standorte für die vertiefte Prüfung bestimmt hat."

"Nationale Aufgabe"

Sailer, der Geschäftsführer des Öko-Instituts ist und auch in der Reaktorsicherheitskommission sitzt, greift damit weitgehend zurück auf Vorschläge des Arbeitskreises Auswahlverfahren Endlagerstandorte. Der Arbeitskreis, dem Sailer angehörte, hatte 2002 zu rot-grünen Zeiten vorgeschlagen, dass es eine Bürgerbeteiligung sowie die detaillierte Erkundung von mindestens zwei Standorten geben soll.

Die Schweiz übernahm weitgehend die Vorschläge und prüft nun mehrere Standorte. "Wenn wir damals damit angefangen hätten, wären wir heute wesentlich weiter", betonte Sailer.

"Es gibt bisher eine Festlegung auf Gorleben. Diese zu lockern, ist ein erster Schritt", sagte Ehmke. Er forderte aber zugleich, nur neue Standorte in die engere Auswahl zu nehmen und auf Gorleben ganz zu verzichten, da ein Vergleich sonst unter ungleichen Bedingungen stattfinden würde. Bleibe Gorleben im Spiel, sei es schwerer, Mehrheiten für ein anderes Endlager zu finden.

"Sinnvoll wäre bei jedem Standort ein Gebiet mit einer Größe von 30 bis 80 Quadratkilometern einzubeziehen", sagte Sailer. "In Deutschland wird es nur mit Salz- oder Tongestein gehen." Granit hingegen, der vor allem in Bayern zu finden ist, umschließe den Atommüll wegen der Härte des Gesteins schlechter. Der Vorsitzende der ESK schlug eine klare Regelung vor, wer letztlich entscheidet. "Das ist eine nationale Aufgabe und das gehört daher zur Entscheidung in den Bundestag".

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