Alternative Windenergie: Energie von oben, ganz oben
Ingenieure entwerfen Lenkdrachen und anderes Fluggerät, um Strom aus großen Höhen zu gewinnen. Mit dabei: Skysails aus Hamburg. Und Google.
Seit einigen Jahren nehmen sich nüchterne Ingenieure des Themas an, sei es in Universitäten oder auch in Unternehmen. Offensiv in die Öffentlichkeit drängt die Firma Enerkite aus Brandenburg, was sie schon allein deswegen tun muss, weil sie Crowdfunding betreibt; 350.000 Euro hat sie auf diese Weise bereits eingesammelt.
Etwas zurückhaltender nach außen hin agiert die Hamburger Firma SkySails, die durch ihren Drachenantrieb für Frachtschiffe bekannt wurde, aber längst auch die stationäre Stromerzeugung im Blick hat.
Und international schaut die Höhenwindbranche vor allem auf die Tests der Google-Tochter Makani mit ihrer 600-Kilowatt-Anlage. In der Konstruktion gibt es unterschiedliche Ansätze: klassische Drachen, halbstarre Fluggeräte mit bespannten Rahmen sowie stabile Konstruktionen, die eher einem kleinen Flugzeug ähneln.
Unabhängige Experten, die bereit sind, sich zu den Entwicklungen zu äußern, sind allerdings rar. Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik, das derzeit für das Bundeswirtschaftsministerium unter dem Projektnamen „Onkites II“ Flugwindanlagen analysiert, zeigt sich zugeknöpft: Die Untersuchungen seien „vertraulich“, die „Simulationsläufe noch nicht abgeschlossen“.
Offener spricht man an der Universität im holländischen Delft, die sich in Europa zum akademischen Zentrum der Höhenwindkraft entwickelt hat. Bisher seien zwar alle Unternehmen der Branche „noch weit davon entfernt, Umsätze zu generieren“, sagt Professor Roland Schmehl, doch habe die Höhenwindkraft das Potenzial, die heutige Windtechnik preislich zu unterbieten: „Kilowattstundenpreise unter 5 Cent sind drin, womöglich kommt man bis an 2 Cent heran.“
Oben herrscht eine steife Brise
Möglich werden soll das, weil die Drachen Wind in Höhen ernten, die klassische Rotoren nicht erreichen. Die meisten Techniker kalkulieren mit Höhen um 300 Meter, maximal seien 500 Meter sinnvoll, sagt Schmehl. Sonst werden die Seile zu lang, ihr Luftwiderstand führt zu größeren Verlusten.
Im Jahresmittel, rechnet der Ingenieur vor, könnten die Flugdrachen rund 70 Prozent der Leistung bringen, die mit durchgängig perfektem Wind möglich wäre. Heutige Windkraftanlagen auf See kommen auf 40 bis 50 Prozent, an Land auf 20 bis 30 Prozent.
Bis zur Marktreife gibt es aber noch viele Fragen. Von der erforderlichen Zuverlässigkeit sind die Systeme noch weit entfernt. Auch ihre Lebensdauer ist noch unklar. Technisch problematisch ist zudem noch das automatische Starten und Landen der Drachen, es hapert bisher am Zusammenspiel von Hard- und Software.
Nicht in meinem Luftraum
Denn praktikabel sind die Anlagen erst, wenn kein Mensch sie mehr steuern muss, wenn sie bei Flaute oder aufziehendem Gewitter automatisch eingeholt werden und später genauso eigenständig wieder starten können.
Abseits der Technik gibt es noch gesellschaftliche Fragen: Wie wird es um die Akzeptanz stehen? Wie wird man die Genehmigungsverfahren angesichts absehbarer Konflikte mit der Flugsicherung regeln?
Aber vielleicht stellen sich solche Fragen auch erst im zweiten Schritt. Denn als mögliche Standorte benennt die Höhenwindbranche immer zuerst die Regionen der Welt, in denen das nächste Stromnetz weit entfernt ist.
Dort konkurrieren sie oft mit teuren Dieselgeneratoren; die Kilowattstunde Strom aus den Aggregaten kostet rund 50 Cent. Das zu unterbieten sollten die Lenkdrachen-Kraftwerke schaffen. Allerdings ist in sonnenreichen Ländern längst die Photovoltaik unschlagbar günstig. Daran heranzukommen wird für den Höhenwind schwieriger.
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