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Alltagsroutinen im Jahr 2053Neue Aufgaben

Die Solidarität mit Israel ist ausgelaufen. Es gab Streit, wie diese Empathielücke zu füllen sei. Geeinigt wurde sich auf den Eichhörnchen-Notdienst.

Hoffentlich kommt der Notdienst gleich Foto: imago

W ir schreiben das Jahr 2053. Zu den Alltagsroutinen gehört neben der täglichen Pflichteinnahme des Volksberuhigungsmittels „Easychill 1.000 Forte (R)“ auch das regelmäßige Alarmieren des Eichhörnchen-Notdiensts. „Ich ruf mal eben die Eichhörnchenleute an“, ruft meine Hausnymphe Apocalypso zu mir ins Klimazimmer herüber, in dem ich mich die meiste Zeit über aufhalte, da es über einen wärmepumpenbetriebene Air Condition verfügt, die die Raumluft auf 25 Grad herunterkühlt. Für den November ist es schon außergewöhnlich warm.

Allgemein haben sich die Wärmepumpen als gute Idee herausgestellt. Schade, dass damals so viele für die Umstellung verantwortliche Politiker ermordet wurden, nur weil sie ihrer Zeit so weit voraus waren. „Was weder rußt noch stinkt noch strahlt, uns weder Gott noch Staat bezahlt“, lautete in den 20er Jahren die Devise privater Energieverbraucher. Später aus dem Exil zurückgekehrte Umweltaktivisten fordern beharrlich eine offizielle Rehabilitierung der Ermordeten sowie eine Bestattung ihrer sterblichen Überreste in geweihter Erde. Doch das Ansinnen dürfte am Veto der unversöhnlichen Eigenheimbesitzer scheitern.

Sie holen das geschwächte Eichhörnchen aus der Krose

Ein flackerndes Blaulicht am Ende unserer Straße kündigt das Eintreffen des Eichhörnchen-Notdienstes an. Der pumpkin-farbene E-Maserati hält vorm Haus. Zwei Mitarbeitende springen heraus, legen eine Leiter an den Straßenbaum und holen ein geschwächtes Eichhörnchen aus der Krone, das uns schon seit zwei Stunden mit verzweifelten Nusswürfen an die Fensterscheibe seine Notlage signalisiert. Es wird in eine der zahllosen Eichhörnchenstationen gebracht. Nach Frühstück und Anamnese durch die Eichhörnchenpsychologin wird es auf eine der staatlichen Eichhörnchennotunterkünfte verteilt, bis es fit genug ist, um zurück in den Wald oder Park entlassen zu werden.

Die Eichhörnchen-Notdienste sind dem Innenministerium unterstellt. Dazu kam es, nachdem die Solidarität mit Israel 2045 nach 100 Jahren fristgemäß abgelaufen war. Die Empathie­leerstelle wollte gefüllt werden. Vor allem Künstler, linke und queerfeministische Kreise versuchten es mit der Hamas, doch die erwiderte die Sympathien nicht. Auf die Eichhörnchen konnten sich am Ende zum Glück alle einigen.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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1 Kommentar

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  • Wenn ich einmal traurig bin, dann ruf ich ein ...

    Empathie - still for free!



    Leider ist es manchen Genossen nicht möglich, dieses humanitäre Sonderangebot zu nutzen.



    Wer im Sozialstaat lebt, sich aber im Niediglohnland wähnt, hat wenig Verständnis für Hungerlöhne in Bangladesch, denn schlechter als uns Deutschen geht es ja bekanntlich Niemandem.



    Wer seine wohlüberlegte Meinung (z.B. Deutschland ist Sch...) unterdrückt sieht und auf Demos nicht in die Welt schreien darf, hat für Israelis und ihre Problemchen selbstverständlich keine emotionalen Punkte mehr zu vergeben.



    Ich empfehle, dass derartig von unserem bösen Pilizeistaat Unterdrückte, bei Attacken emotionaler Leere schnurstracks in den nächsten Supermarkt geliefert werden, wo sie durch das Bekleben mit Treueherzchen ihre übliche Rambokonstitution zurück erreichen können.



    Ein Herz für...