■ Standbild: Allesamt verkorkst
„Latin Lover“, Mittwoch, 20.15 Uhr, RTL
Fassungslos steht man vor diesem ergreifendem Werk: Anna (Marie Bäumer) fühlt sich von ihrem Mann vernachlässigt. Beim Mallorca- Urlaub lernt sie am letzten Tag den Pferderanch-Besitzer Carlos Sanchez (Leon Boden) kennen. Er zeigt ihr „meine kleine Paradies“, dann darf sie sein Pferd reiten, und dann reitet Carlos Anna. Zurück in München, will Anna aber wieder treusorgende Ehefrau sein. Schwierig bei einem Gatten wie Frank (Thomas Heinze). Der steckt nämlich seine Manneskraft lieber in den Betrieb als in Anna. Zu allem Überfluß steht kurz darauf Mallorca- Carlos vor dem Haus und will Anna für sich. Frank jagt die „Hure“ aus dem Haus. Wie soll Anna sich entscheiden: für den feurigen Spanier oder den teigigen, tabletten-, karrieresüchtigen und gewalttätigen Ehemann? Schließlich ist sie auch noch schwanger. Nur von wem?
So weit, so öd der Plot. Und doch ist dieser Film seltsam anders als vergleichbare Konstrukte. Zwar trieft „Latin Lover“ auch nur so vor irrer Moral, die Hauptfiguren aber sind allesamt verkorkst bis auf die Designer-Unterwäsche. Denn hier führte Oskar Roehler Regie, der sich irgendwie aus subkulturellen Westberliner Zeiten hinübergerettet hat und nun extrem nervensägende Filme über undergroundige Künstlerbeziehungen macht, wo alle viel ficken und sich anschreien. Was dort nie funktioniert, geht in „Latin Lover“ auf. Vielleicht weil hier endlich mal nicht „die Berliner Szene“ peinlich bemüht wird, sondern Münchener Bau-Zampanos und Innenarchitekten. Mit seiner pompösen Ausstattung und seiner reaktionären Handlung ist dieser Film so jenseits von Gut und Böse, daß er es gar nicht nötig hat, mit der Realität zu flirten. Das macht ihn vergnüglich. Heike Blümner
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