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Alles zu Organspenden324 Herzen, 5 Dünndärme

Der Bundestag debattiert über Organspende. Wie Sie Leber oder Lunge hergeben oder auch nicht und warum es Sie interessieren sollte.

Michael Stapf wartet seit acht Jahren auf eine Niere. Aktion für mehr Organspenden in Berlin Foto: epd/imago

In Deutschland sterben durchschnittlich drei Menschen am Tag, weil sie lebensrettende Organe nicht rechtzeitig erhalten. Heute steht das Thema Organspende auf der Agenda des Bundestags. Die Abgeordneten stimmen über drei Anträge ab. Soll jede*r Bürger*in als möglicher Organspender gelten, die*der zu Lebzeiten keinen Widerspruch erklärt hat? Oder soll auf eine ausdrückliche Zustimmung mit vorangegangener Information gesetzt werden?

Ein dritter Antrag sieht eine öffentlich-rechtliche Institution vor, die Organe vermitteln soll. Was Sie sonst noch zu Organspenden wissen sollten:

Wer kommt für eine Organspende infrage?

Organspende ist keine Frage des Alters. Alle Altersgruppen sind zum Spenden geeignet. Entscheidend ist das biologische und nicht das kalendarische Alter. Die wichtigste Voraussetzung ist der sogenannte Hirntod, ein Zustand, der nur sehr selten festgestellt wird.

„Hirntot“, was genau bedeutet das?

Beim der Diagnose Hirntod kommt es zum unwiederbringlichen Erlöschen aller Funktionen des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms. Das Gehirn führt in diesem Fall die Steuerungsfunktion nicht mehr aus. Festzustellen ist das seltene Phänomen nur auf der Intensivstation eines Krankenhauses.

Obwohl der Mensch medizinisch tot ist, kann das Herz-Kreislauf-System mit intensivmedizinischen Maßnahmen aufrechterhalten werden. Das ist eine weitere Voraussetzung, um als Spender*in infrage zu kommen. Die Organe werden dabei künstlich mit Sauerstoff versorgt, ihre Funktionsfähigkeit wird so weiter gewährleistet. Nur dann können die Organe transplantiert werden.

Wie funktioniert eine Organspende?

Neben dem Hirntod muss eine Spendebereitschaft der verstorbenen Person vorliegen. Falls es die nicht gibt, müssen Angehörige nach dem mutmaßlichen Willen der Person entscheiden. Es wird geklärt, ob sich die Organe zur Transplantation eignen – zum Beispiel, dass sie kein Risiko für die Empfänger*innen darstellen.

Ein entnommenes Organ ist von der Sauerstoffversorgung getrennt. Deshalb muss die Zeit zwischen Entnahme und Transplantation möglichst gering gehalten werden.

Wer spendet Organe?

2019 haben deutschlandweit 932 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet. Das sind weniger als im Vorjahr (955). 11,6 Spender fallen auf eine Million Einwohner – Deutschland belegt im internationalen Vergleich einen der hinteren Plätze. Den Zahlen des Newsletters Transplant der globalen Datenbank GODT zufolge hat Spanien mit 48,3 SpenderInnen pro eine Million Einwohner eine deutlich höhere Rate.

Wie funktioniert das alles gerade?

Wer sich heute bereit erklärt, nach dem Tod Organe zu spenden, muss zu Lebzeiten einer Organspende zustimmen. Das geht mit einem Organspendeausweis oder einer Patient*innenverfügung. Gibt es beides nicht, entscheiden Angehörige im Sinn der verstorbenen Person.

Und sonst?

Jede*r Spender*in habe im Durchschnitt mehr als drei kranken Patient*innen geholfen. 1.524 Nieren, 726 Lebern, 329 Lungen, 324 Herzen, 87 Bauchspeicheldrüsen und fünf Dünndärme wurden 2019 in Deutschland transplantiert.

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6 Kommentare

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  • Bitte keine »Beratungslösung«. Ich glaube, die Standard-Antwort zu kennen: „Ich hab' gerade so viel um die Ohren, ich kann mich mit diesem Thema momentan nicht beschäftigen“. Verdränger sind hartnäckig.

  • Die Zahlen sind unvollständig und damit absolut manipulativ eingesetzt.



    Es fehlt die Angabe der Patienten, deren Hirntod festgestellt wurde. Erst dann kann die Angabe "nur 932 Menschen" hätten gespendet in seiner tatsächlichen Bedeutung ermessen werden.



    Wenn der Hirntod so selten, und dann nur in speziellen Fällen Klinik-Fällen, festgestellt werden kann,wie groß war denn die theoretisch zu erreichende Zahl der Spender? Wenn es 933 waren, würde es immerhin bedeuten, dass von den 100% potentieller Spender 99.5% verwendet werdenkonnten. und eine Opt-Out Variante des Spendenausweises hätte KEINE Auswirkung.



    Waren es 1.000.000, dann wären es 0.1% der möglichen Spender. Und eine Opt-Out Variante des Spendenausweises hätte evtl EINE Auswirkung.



    Kann es nicht viel eher sein, dass durch den immensen Kosten-/Spar-Druck viele Spender gar nicht zur Verfügung stehen, weil die Kliniken a) nicht ausgerüstet sind, b) die Fachärzte fehlen und c) damit KEIN Geld zu verdienen ist?



    Diese Organ-Spende-Debatte ist in dieser Form meiner Meinung nach eine reine Scheindebatte, die von den anderen Problem den Gesundheitswesens ablenken soll.



    Schade liebe TAZ, mal wieder eine Chance vertan.

    • @DerWoNixWeiss:

      Die Frage, ob ich Organe spenden will oder nicht, kann ich auch ganz ohne statistischen Hintergrund beantworten.

  • Eine gute Zusammenfassung für den Einstieg in die Diskussion.



    Was mir noch etwas schwammig ist ist der Rückgang der Organspender, der nicht auf den Rückgang der Spendebereitschaft zurückgehen muss (was gelegentlich impliziert wird), sondern auch mit den Schwankungen angesichts der unwahrscheinlichen (aber nötigen) Hintod-Diagnose zu erklären wäre.

    Gibt es Vergleichszahlen wieviele der Verstorbenen ungeachtet der Spendetauglichkeit grundsätzlich zur Spende bereit gewesen wären, oder wird die nicht erhoben? Hilfreich für die Debatte wäre sie auf jeden Fall

  • Eine angenehm sachliche und unaufgeregte Zusammenfassung.



    Bin mal gespannt auf die Reaktion aus den Echokammern der Organspende-Truther.

    • @jhwh:

      Glückwunsch: Eine reife Leistung, mit nur zwei kurzen Sätzen ohne einen sachlichen Beitrag mit einer Killerphrase jeder möglichen Diskussion von vornherein den Saft abzudrehen: Wer die Sache nicht so sieht wie Sie (ganz egal auf welcher Seite Sie stehen) ist also "aufgeregt" und/oder "lebt in eine Echokammer".