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Alles wird andersEine Radikalkur für den BND

Journalistenbespitzelung, Kurnaz-Affäre, mangelnde Transparenz: Nach zahlreichen Skandalen wird der deutsche Auslandsgeheimdienst völlig umgekrempelt

Zieht nicht nur um, sondern soll auch reformiert werden: der BND, hier als Entwurf. Bild: dpa
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BERLIN taz/ap/dpa Nach einer Reihe von Skandalen steht der Bundesnachrichtendienst (BND) vor dem größten Umbau in seiner Geschichte. Der Auslandsgeheimdienst wird von 2009 an eine völlig neue Struktur bekommen. Die bisher strikt getrennten Abteilungen für die Beschaffung und die Auswertung von Nachrichten werden zusammengelegt. Damit soll die gegenseitige Abschottung gelockert werden. "Veraltete, verkrustete Strukturen werden aufgebrochen", sagte ein BND-Sprecher.

Der Geheimdienst war zuletzt nicht nur wegen umstrittener Aktionen im Ausland - etwa wegen des Agenteneinsatzes im Irakkrieg - sondern auch wegen des Bespitzelns von Journalisten im Inland unter Druck geraten. Beklagt wurden außerdem der mangelnde Austausch innerhalb des 6.000 Mitarbeiter starken Apparats und eine zunehmende Abkoppelung von der Leitung der Behörde. Der BND-Untersuchungsausschuss, der sich unter anderem mit der Affäre um den früheren Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz befasst, hat zudem drastische Lücken bei der Kontrolle des Bundesnachrichtendiensts offenbart.

Verbessert werden soll die Arbeit des Bundesnachrichtendiensts mit einer neuen Organisation nach einem Drei-Säulen-Modell. Der Geheimdienst soll demnach künftig in die drei großen Felder "Produktion", "Produktionsunterstützung" und "Service" gegliedert sein. Jeder der drei Säulen soll ein Vizepräsident zugeordnet sein. Aus den bislang acht Abteilungen entstehen zwölf. Dafür wird eine Ebene aus der Führungshierarchie komplett gestrichen.

Unter den neuen Abteilungen befindet sich auch die Abteilung Proliferation, die sich mit der Aufklärung von illegalem Waffenhandel beschäftigt. "Der Dienst wird einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen", zitiert die Süddeutsche Zeitung BND-Präsident Ernst Uhrlau.

Die Abteilung Eigensicherung wird sich nach dem Willen von Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) und BND-Präsident Uhrlau nur noch mit dem Selbstschutz von Agenten beschäftigen, wie der Spiegel berichtet. Jene Abteilung hatte mehrere deutsche Journalisten bespitzelt und als Quellen eingesetzt, was scharf kritisiert wurde.

Affären wie diese hätten eine gewisse Rolle im Reformprozess gespielt, seien aber nicht ausschlaggebend gewesen, sagte ein BND-Sprecher am Wochenende. Das Kanzleramt hat dem Vernehmen nach grünes Licht für die Reform des Nachrichtendienstes gegeben.

Die Opposition lobt, dass die BND-Reform nach den Skandalen der vergangenen Jahre nun in Angriff genommen wird. "Es war an der Zeit, dass Konsequenzen aus den offensichtlichen Fehlentwicklungen gezogen wurden", sagte Hans-Christian Ströbele, Obmann der Grünen im BND-Untersuchungsausschuss der taz. Damit würden Kanzleramt und BND-Spitze in die Lage versetzt, "diesen riesigen Apparat besser zu kontrollieren". Nun müssten allerdings auch die parlamentarischen Kontrollrechte gestärkt werden. Ähnlich äußerte sich auch der FDP-Obmann Max Stadler. "Die Bundesregierung hat erkannt, dass sie den BND an der kurzen Leine halten muss", sagte Stadler. Auch er forderte eine stärkere Kontrolle des Geheimdiensts durch das Parlament. "Nur eine Reform, die beide Bausteine enthält - Neuorganisation der Verwaltung und eine bessere parlamentarische Kontrolle - verdient wirklich diesen Namen."

Der Umzug des BND vom bayerischen Pullach nach Berlin soll bis 2012 abgeschlossen sein. Für den Neubau der BND-Zentrale sind 720 Millionen Euro veranschlagt. In der Hauptstadt werden etwa 4.000 Beschäftigte arbeiten. In Pullach bei München bleibt die technische Fernmelde-Aufklärung mit rund 1.500 Mitarbeitern.

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