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■ Alles Lüge: Keine „reichen Juden“ haben der hessischen CDU Geld hinterlassen. Das war, wie Ex-Innenminister Manfred Kanther zugeben musste, wohl eher Friedrich-Karl Flick. Die CDU hortete Millionen im Ausland – und finanzierte sich damit manchen Wahlkampf.Mit Geisterspenden zum Wahlsieg

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat seinen Wahlsieg im letzten Jahr illegalen Spendengeldern zu verdanken: mit dem Schwarzgeld von einem 1984 illegal eingerichteten schwarzen Konto in der Schweiz. Koch habe sich so im Wahlkampf, der von der Union mit einer Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgetragen wurde, „ungerechtfertigte Vorteile“ verschafft, konstatierte gestern der stellvertretende Landesvorsitzende der hessischen SPD, Gerhard Bökel. Ministerpräsident Roland Koch müsse deshalb zurücktreten.

Doch Koch will bleiben: Er habe nach eigenem Bekunden nichts von den insgesamt rund 32 Millionen Mark gewusst, die der ehemalige hessische CDU-Generalsekretär Manfred Kanther und Ex-Schatzmeister Casimir Johannes Prinz zu Sayn-Wittgenstein am Parteiengesetz und wohl auch am Steuerrecht vorbei in der Schweiz gebunkert hatten. Deshalb will die SPD heute über ein Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten beraten. Die Koalitionspartner Union und FDP verfügen im Landtag nur über die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme, die einfache Mehrheit reicht aus, um die Regierung zu stürzen. Noch steht die FDP in Treue fest zur Union.

Einen schwarzen Tag für die hessische Union nannte Koch den letzten Freitag: „Ich hätte das nicht für möglich gehalten.“ Koch wusste da schon, dass es keine Vermächtnisse gab, die – wie wochenlang von der Spitze der hessischen CDU behauptet – der Partei aus dem Ausland zugeflossen seien. Und er wusste auch, dass der Grundstock für das 32-Millionen-Mark-Auslandsvermögen der Partei acht Millionen Mark waren, die mit Billigung von Kanther und nach dem Vorschlag des Prinzen illegal in die Schweiz gebracht wurden. Als Überbringer fungierte ein alter Bekannter im CDU-Spendensumpf: Horst Weyrauch, Steuer- und Anlageberater der CDU. Schon vor Wochen auf seine regelmäßigen Reisen in die Schweiz angesprochen, konnte der sich damals nur noch an die Fahrten, nicht aber an den Grund dafür erinnern. Die auf einem schwarzen Konto deponierte Summe ist niemals in einem Rechenschaftsbericht der hessischen Union aufgetaucht: ein klarer Verstoß gegen das Parteiengesetz.

Und wohl auch ein Fall von Steuerhinterziehung. In diesen Hochzinszeiten damals, so Kanther, sei das Auslandskapital der Union nämlich kräftig angewachsen. Aus den acht Millionen Mark sollen im Lauf der Jahre mindestens 32 Millionen Mark geworden sein. 14 Millionen Mark davon holte sich die hessische Union zu Wahlkampfzeiten mit der „Hilfskonstruktion Vermächtnisse“ (Kanther) aus der Schweiz zurück. 17 Millionen Mark sollen sich noch auf dem Schwarzgeldkonto befinden. Aber wie den Rückfluss in den 90er-Jahren erklären?

„Wir hatten im Inland Finanzbedarf, aber im Ausland Geld“, schilderte Kanther offen das Dilemma. Der Prinz erfand dann die Erblasser. Im Ausland verstorbene Persönlichkeiten, so wurde der Öffentlichkeit und auch der Bundestagsverwaltung weisgemacht, hätten der hessischen Union ihre Vermögen vermacht. Der Kassenwart der hessischen Union, Prinz Wittgenstein, verstieg sich gar zu der Behauptung, dass wohl verstorbene emigrierte deutsche Juden die Erblasser für die CDU gewesen seien. Bei der Rückführung des Geldes nach Hessen trug der Prinz selbst noch einmal ein Darlehen von rund 2 Millionen Mark in einen Rechenschaftsbericht ein: auch Geld vom Schwarzkonto.

Die Öffentlichkeit sei damit „getäuscht worden“, so Roland Koch verbittert. Und dann mit Blick auf Manfred Kanther: „Natürlich werden jetzt persönliche Bindungen angespannt und strapaziert.“ Kanther gilt als der Ziehvater von Koch. „Dunkelmänner“ aber seien in diesem Drama nie handelnde Personen gewesen, konstatierte Kanther, der großen Wert darauf legte, „nur im Interesse der Partei“ aktiv geworden zu sein.

Dass er selbst ein „Dunkelmann“ ist, wie die Opposition jetzt behauptet, kommt Kanther nicht in den Sinn. Allerdings musste er einräumen, dass die Millionen gerade wegen der 1984 in Reaktion auf die Flick-Parteispendenaffäre zu erwartende Verschärfung des Parteiengesetzes in die Schweiz geschafft worden seien.

Noch sind viele Fragen offen, trotz des Geständnisses von Kanther. Woher genau kam das Geld, das Weyrauch in die Schweiz schaffte? Bei welcher Bank wurde das Konto geführt? Welche Abbuchungen erfolgten zu welchem Zweck? Wie wurden aus den acht Millionen Mark, die 1984 den Grundstock bildeten, in ein paar Jahren stolze 32 Millionen – trotz der Entnahme von 14 Millionen Mark? Und was sollte mit den angeblich noch auf dem Konto verbliebenen 17 Millionen Mark geschehen?

Die hessischen Oppositionsparteien interessiert insbesondere: Wer war involviert; und wer wusste was? Also noch ein Untersuchungsausschuss?

Klaus-Peter Klingelschmitt

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