Grossbritannien Tories verlieren Macht in London, SNP verliert Mehrheit in Schottland und Labour in Wales: Alle abgewatscht
von Ralf SotscheckUnd Dominic Johnson
Ein Denkzettel für die Regierenden, aber außer in London ohne unmittelbare Auswirkungen – das ist der gemeinsame Nenner der Regional- und Kommunalwahlen vom Donnerstag in Großbritannien. In Schottland verlor die separatistische Scottish National Party (SNP) ihre bisherige absolute Mehrheit, in Wales die bisher regierende Labour Party. Beide können aber wohl weiterregieren. Dafür haben die Konservativen, die in Großbritannien insgesamt die Regierung stellen, den Londoner Bürgermeisterposten eingebüßt.
Nach Auszählung von 97 Prozent der Stimmen der Londoner Bürgermeisterwahl lag am späten Freitagnachmittag Labour-Kandidat Sadiq Khan uneinholbar mit 44 Prozent vor dem konservativen Kandidaten Zac Goldsmith mit 35 Prozent. Der konservative Amtsinhaber Boris Johnson war nicht mehr angetreten. An dritter Stelle lagen mit rund 6 Prozent die Grünen.
In Schottland verlor die regierende SNP 6 ihrer 69 Sitze und kam auf nur noch 63 Mandate – 2 zu wenig für die absolute Mehrheit im 129 Sitze zählenden Regionalparlament. Damit dürfte es der Regionalregierung von Nicola Sturgeon schwerfallen, in absehbarer Zeit ein zweites Unabhängigkeitsreferendum durchzusetzen. Sie muss erst mal sehen, wie sie Schottland weiterregiert. Am Freitagnachmittag schloss sie eine Koalition aus und kündigte eine Minderheitsregierung an.
Nach der SNP etablierten sich die Konservativen als stärkste Oppositionspartei mit 31 Sitzen – mehr als doppelt so viele wie bei den Wahlen vor fünf Jahren. Ihre Wiederauferstehung in Schottland ging auf Kosten der Labour Party, die mit 24 Mandaten auf den dritten Platz abrutschte. Bis 2007 hatte Labour im schottischen Parlament noch die Mehrheit gestellt. Jetzt landete sie in absoluten Stimmen bei 19 Prozent, hinter 23 Prozent für die Konservativen und 42 Prozent für die SNP.
Auch in Wales musste Labour Verluste hinnehmen, ist aber mit 29 Sitzen nach wie vor die stärkste Partei. Die absolute Mehrheit hat sie jedoch um 2 Mandate verfehlt. Größte Oppositionspartei bleibt die nationalistische Plaid Cymru knapp vor den Konservativen. Die rechtspopulistische United Kingdom Independence Party (Ukip) kam in Wales auf 7 Sitze. Einer davon ging an Neil Hamilton, einen der Korruption überführten früheren Tory-Abgeordneten. Parteichef Nigel Farage sprach von einem „historischen Durchbruch“ in Wales.
Bei den Kommunalwahlen in England, die dieses Jahr vor allem städtische Regionen und damit Labour-Hochburgen betrafen, hielten sich die Verluste für Labour in Grenzen. Statt der prophezeiten mindestens 150 kommunalen Mandate büßte die Partei bis Freitagnachmittag weniger als 30 Mandate ein, etwa so viele wie die Konservativen. Die Zugewinne verteilten sich auf die Liberalen und Ukip; insgesamt blieben die Mehrheitsverhältnisse mit wenigen Ausnahmen stabil. Nach BBC-Hochrechnungen kam Labour auf 31 Prozent vor den Konservativen mit 30 – bei der letzten Wahl derselben Sitze vor vier Jahren hatte Labour noch mit 38 Prozent viel weiter vorn gelegen.
Es ist das erste Mal seit 30 Jahren, dass die führende Oppositionspartei bei britischen Kommunalwahlen noch weiter an Boden verloren hat. Bei Labour dürfte sich der Richtungsstreit nun verschärfen. Trostpflaster sind für den neuen linken Labour-Chef Jeremy Corbyn, für den diese Wahlen die erste Probe darstellen, die Unterhaus-Nachwahlen in Ogmore und Sheffield, bei denen Labour erwartungsgemäß die Sitze verteidigen konnte, ohne jedoch an Stimmen zuzulegen. Corbyn lehnte gegenüber Journalisten am Freitag einen Rücktritt ab und sagte, es gehe ihm „gut“. Die Konservativen feierten ihre Zugewinne in Schottland.
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