Alle Jahre wieder: Merkels besondere Zeitumstellung
Am Sonntag werden die Uhren um eine Stunde zurückgedreht. So auch die nächsten Jahre. Angela Merkels (Kanzlerin-)Zeit indes läuft ab.
Was haben Zeitumstellung und Angela Merkel gemeinsam? Ganz einfach: Die Zeit für beide läuft ab. Aber noch sind sie da. Und wie.
In der Nacht zu Sonntag werden die Uhren um eine Stunde zurückgedreht. Eigentlich sollte das in diesem Jahr zum letzten Mal passieren, so jedenfalls hatte es der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verkündet: „Die Zeitumstellung gehört abgeschafft.“ Aber zwischen 2018, als Juncker sein Versprechen in die Welt flötete, und heute liegt das Leben. In diesem Leben können sich die 27 EU-Länder schlicht nicht einigen, ob sie nun die Sommer- oder die Winterzeit, sprich die gewöhnliche Mitteleuropäische Zeit, präferieren. Also wird munter weiter sondiert, debattiert, verhandelt.
So wie jetzt bei den Koalitionsgesprächen von SPD, Grünen und FDP. Und solange die neue Ampelregierung nicht steht und Olaf Scholz nach wie vor ein Kanzlerkandidat ist, bleibt Merkel im Amt. Das kann länger dauern, als den drei Parteien, Scholz und Merkel lieb ist. Da ist zum Beispiel das Bürgergeld, das alte Hartz IV mit neuem Namen und, okay, ein klein wenig mehr Geld. SPD und Grüne wollen das unbedingt, die FDP ist skeptisch.
Oder Klimaschutz und die große Frage, wie der bezahlt werden soll. Die FDP pocht auf strenge Haushaltsdisziplin, die Grünen wollen es eher großzügiger angehen, Hauptsache, das 1,5-Grad-Ziel wird erreicht. Und dann das Gerangel um Posten. Der Grüne Robert Habeck und der Liberale Christian Lindner beanspruchen beide das Finanzministerium. Kurz: Das kann dauern. Auch wenn die Verhandler:innen hoch und heilig versprechen, es bis zum 6. Dezember zu schaffen.
Mit Versprechen ist das allerdings so eine Sache. Mitleidiger Blick zurück zu Jean-Claude Juncker.
Noch 47 Tage bis zu LäKaZ
Aber während seine Zeit(umstellungs)rechnung nach wie vor unberechenbar scheint, tickt für die Nochkanzlerin eindeutig die Merkel-Uhr: Noch 47 Tage bis zur LäKaZ, der längsten Kanzlerin aller Zeiten. Und das geht so: Sollten sich die Ampel-Koalitionär:innen ein bisschen verrechnet, ihre Regierungsgeschäfte bis spätestens 17. Dezember nicht aufgenommen und dazu noch keinen Kanzler gewählt haben, wird Merkel exakt 5.869 Tage im Amt sein. So lange wie einst Helmut Kohl.
Die Merkel-Uhr, aufgesetzt vom Animationstool Flourish, hat diese Zeit inklusive Stundenumstellung auf die Sekunde genau im Blick.
Aber schon jetzt kann Merkel auf eine besondere Zeitrechnung verweisen. Am 22. Dezember 2019 war sie 5.143 Tage im Amt, genauso lange wie seinerzeit Konrad Adenauer (CDU). Der erste Kanzler der Bundesrepublik saß vom 15. September 1949 bis 15. Oktober 1963 im Kanzlersessel. Merkel ist seit 22. November 2005 Bundeskanzlerin – als erste Frau im Amt und erste Ostdeutsche noch dazu. Wenn das mal keine Zeitumstellung ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers