Alle Jahre wieder: Advent in Berlin: Licht! Freude! Demut!
Advent, Advent: Was bedeutet das eigentlich? Wir haben bei vier Menschen nachgefragt und unterschiedliche Antworten erhalten.
Wie halten es Christ*innen in Berlin mit dem Advent? Die taz hat vier ihrer Vertreter*innen gefragt.
„Für uns ist das Geschenk, das uns Gott an Weihnachten mit seinem Sohn macht, unbegreiflich“, erzählt Pastor Kingsley Arthur von der International Christian Revival Church in Wedding, einer African Initiated Church, die Menschen aus 21 Nationen versammelt. „Deshalb ist der Advent für uns eine Zeit der Freude, aber auch der Demut.“
In Arthurs Ladenkirche unweit des Leopoldplatzes wird seit fast 30 Jahren auf Englisch und Deutsch gepredigt und gesungen. Besonders stolz ist der 1959 in Ghana geborene Pastor, der 2015 für seine Arbeit mit Geflüchteten das Bundesverdienstkreuz erhielt, auf den Gospelchor seiner Gemeinde. „Unser Benefizkonzert werden wir am 4. Januar veranstalten“, so Arthur, „wenn der Weihnachtsstress sich ein wenig gelegt hat.“
Schwester Michaela Bank von den katholischen Missionsärztlichen Schwestern in Biesdorf begeht den Advent mit Meditation und festen Zeiten der Stille, denn „man muss aufpassen, dass die Besonderheit dieser Zeit nicht in der Hektik untergeht“, wie sie sagt.
„Licht spielt eine besondere Rolle“
Bank und ihre Schwestern versammeln sich in der Vorweihnachtszeit auch einmal täglich um den Adventskranz, um gemeinsam die Kerzen anzuzünden. „Licht spielt in dieser Zeit eine besondere Rolle für uns. Wir denken dann gemeinsam über Sehnsucht, Warten und die Haltung der Vorbereitung nach“, so Bank.
Auch in der Beratungsstelle für Frauen, die die Ordensschwestern in Marzahn betreiben, habe die Vorweihnachtszeit einen besonderen Charakter. „Insbesondere für Menschen, die alleine sind, wollen wir dann da sein. Es ist auch eine sehr emotionale Zeit“, erzählt die Betriebswirtin, Theologin und Therapeutin.
„Für uns ist der Advent die Vorausschau auf das, was durch Jesus kommen wird: ein neuer Himmel, eine neue Erde und ein neues Leben“, erklärt Ralf Wegener, Ältester der freikirchlichen Adventgemeinde in Pankow in einem ganz alltäglichen Tonfall. „Diese Hoffnung wird in der heutigen Zeit aber eher belächelt.“
Der gebürtige Rostocker kam vor 50 Jahren in die Hauptstadt der DDR. Seine Mutter hat ihn im adventistischen Glauben erzogen, in dem das erwartete Wiedererscheinen von Jesus Christus auf der Erde eine besondere Rolle spielt. Advent als Ankunft wird hier sehr wörtlich genommen.
„Sich am Advent freuen“
Gottesdienst halten die Adventist*innen nach der jüdischen Tradition am Samstag, dem „siebten Tag“. Wegener erzählt, dass auch in seiner Gemeinde die Chormusik eine besondere Rolle im Advent spielt. „Wir veranstalten zweimal im Advent ein Chorsingen. Einmal in einer Berliner Gemeinde und einmal in der Oberlinklinik in Potsdam. Auch die Menschen, die in dieser Zeit in der Klinik liegen, sollen sich am Advent freuen können.“
Schwester Michaela Bank
Wer bei der koptisch-orthodoxen Kirche in Lichtenberg nachfragt, wie man dort den Advent begeht, wird an den Bischof für Norddeutschland, Anba Damian, verwiesen. Der 1955 in Kairo geborene Geistliche erklärt, dass in seiner Kirche bereits seit dem 25. November die vorweihnachtliche Fastenzeit begonnen habe. „In dieser Zeit bereiten wir unsere Herzen, Gedanken, Wohnungen und Gemeinden vor, den Herrn an Weihnachten zu empfangen. Wir bereiten eine Krippe in unserem Herzen vor“, sagt Damian. Dazu gehöre, bis zum Weihnachtsfest auf Fleisch zu verzichten und mittwochs, freitags, samstags und sonntags zum Gottesdienst zusammenzukommen.
Und wie viele Ostkirchen, etwa die armenische oder russisch-orthodoxe, begehen auch die Kopt*innen das Weihnachtsfest erst am 6. beziehungsweise 7. Januar, also nach dem julianischen Kalender.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind