Algerisch-französisches Abkommen: Migrationssonderstatus bleibt
Menschen aus Algerien können seit 1968 vereinfacht nach Frankreich einwandern. Die Konservativen sind nun mit einem Änderungsantrag gescheitert.
Dieser Sonderstatus gilt bis heute, was vor allem die fremdenfeindliche und speziell antiarabische Rechte empört. Die Konservativen wollten mit ihrem Antrag zeigen, wie sie heute harte Saiten aufziehen, um das Thema Immigrationspolitik nicht Marine Le Pens Rechtspopulisten zu überlassen.
In der Regel werden Vorstöße aus der Opposition in der Nationalversammlung chancenlos nieder geschmettert. Auch der LR-Antrag gegen das „Relikt“ von 1968 wurde am Ende mit 151 gegen 114 Stimmen verworfen. Doch die Regierungsparteien sind in der Frage der Immigrationskontrolle und des Asylrechts uneins. Genau das wollten die Konservativen mit ihrem Antrag beweisen.
Während die Macronisten der Fraktion Renaissance es ablehnten, am historischen Abkommen mit Algerien zu rütteln, unterstützte die ebenfalls zum Regierungslager zählende Fraktion Horizons von Ex-Premierminister Edouard Philippe die Initiative von rechts. Philippe kommt selber ursprünglich aus der politischen Familie, die sich heute Les Républicains nennt. Und da er Nachfolger von Macron werden möchte, sucht er als Präsidentschaftskandidat in Hinblick auf die Wahlen von 2027 die Unterstützung seiner ehemaligen rechten Weggefährten.
Sorge vor der Reaktion Algeriens
Diese Anbiederung scheint den amtierenden Staatschef besonders geärgert zu haben. Er protestierte laut BFM-TV vor Zeugen, die Konservativen und mit ihnen Philippe, mischten sich mit ihrer „Demagogie“ in seine exklusive Domäne als Staatsoberhaupt, das heißt in die Diplomatie und Außenpolitik, ein. Macron betrachtet den ehrgeizigen und populären Philippe nicht etwa als designierten Thronfolger, sondern mehr als Rivalen, der sich nicht scheut, seine Politik mit eigennützigen Stellungnahmen zu sabotieren.
Eine dritte Regierungspartei, das zentrumsdemokratische MoDem von François Bayrou, war zwar grundsätzlich damit einverstanden, dass der Sonderstatus für die Algerier nicht mehr zeitgemäß sei, trotzdem war diese Mitte-Fraktion aber „total gegen“ das Vorgehen der Konservativen, weil dieses bloß für zusätzliche Probleme in den bereits sehr gespannten Beziehungen mit Algerien sorgen müsse.
Das ist auch Macrons große Befürchtung. Wenn nämlich Frankreich algerische Staatsangehörige aufgrund richterlichen Anordnungen in ihre Heimat abschieben will, braucht es die Zustimmung der algerischen Behörden, den konsularischen Passierschein. Das war ein ständiger bilateraler Streitpunkt. In der jüngsten Vergangenheit hatte sich Algier in dieser Beziehung wieder etwas entgegenkommender gezeigt. Das will Macron keinesfalls aufs Spiel setzen.
Premierministerin Elisabeth Borne versuchte den internen Streit zu schlichten: Über französische und auch algerische Vorschläge zur Anpassung des in der Vergangenheit bereits drei Mal modifizierten Abkommens von 1968 werde demnächst verhandelt, versicherte sie gleich nach der Abstimmung: Wie wenn alles nur ein Sturm im Wasserglas gewesen wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter