piwik no script img

Alfred Grosser ist totDeutsch-französischer Brückenbauer

Alfred Grosser war einer der intellektuellen Wegbereiter des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags. Er starb im Alter von 99 Jahren.

Der Politologe Alfred Grosser in der Paulskirche in Frankfurt am Main im Jahr 2017 Foto: Andreas Arnold/dpa

Paris afp | Der Spezialist für deutsch-französische Fragen Alfred Grosser ist tot. Der Politologe und Publizist starb im Alter von 99 Jahren in Paris, wie sein Sohn Pierre Grosser am Donnerstag mitteilte. Alfred Grosser war einer der intellektuellen Wegbereiter des als Élysée-Vertrag bekannten deutsch-französischen Freundschaftsvertrags.

Grosser hat zahlreiche Bücher geschrieben, in denen er den Deutschen half, die Franzosen zu verstehen – und umgekehrt den Franzosen die Deutschen erklärte. Für seine Rolle als Vermittler wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband sowie dem französischen Großkreuz der Ehrenlegion.

Grosser wurde am 1. Februar 1925 in Frankfurt am Main geboren. Im Jahr 1933 emigrierte er mit seiner Familie jüdischer Herkunft nach Frankreich, vier Jahre später nahm er die französische Staatsangehörigkeit an. Später konvertierte er zum Katholizismus.

Der deutsch-französische Publizist studierte in Paris Politikwissenschaft und Germanistik. Ab 1955 lehrte er am renommierten Institut d'études politiques de Paris und schrieb für zahlreiche Zeitungen politische Kolumnen. Zu seinem Verhältnis zu Deutschland und Frankreich hat er einmal gesagt: In Frankreich gehöre er dazu, Deutschland begleite er von außen.

Grosser war ein scharfer Beobachter. Mit seiner Kritik hat er nie hinter dem Berg gehalten. Das deutsch-französische Verhältnis sei keine Liebesbeziehung, sagte er einmal in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Paris. Und fügte hinzu: Als Frankreichs Präsident Charles de Gaulle 1963 den Élysée-Vertrag unterschrieb, sei es ihm nicht in erster Linie um Annäherung gegangen, sondern darum, Deutschland mit dem Vertrag aus dem Machtbereich der USA herauszuholen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Etwas kurzer Artikel zu diesem klarsichtigen Geist und Europäer, der nicht mehr unter uns weilt. Sein Bonmot, in Frankreich gehöre er dazu, Deutschland begleite er von außen, kann man durchaus auch als Ausdruck der eigenen Ambivalenz auffassen. In Frankreich dazuzugehören ist nicht dasselbe wie Franzose sein. Eine spannende Betrachtung und ein Ritt auf der Rasierklinge, die sich einem nie ganz erschließt, der man sich jedoch nähert, wenn man sich mit seinem Werk befasst. Vor allem die noch zu findenden Artikel sind lesenswert.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Trolliver:

      Es ist die erste Agenturmeldung. Da kommt noch was. Ich bin gespannt.

    • @Trolliver:

      Hola. Yes! - anschließe mich …



      Quel homme

      “Grosser war ein scharfer Beobachter. Mit seiner Kritik hat er nie hinter dem Berg gehalten. “



      Dazu eine Reminiszenz aus dem Nähkastchen.



      Turnte vor auf der Justizkonferenz der SPD - sollte Redenschreiber von Hertha werden. Ehrengast der Veranstaltung - klar & erstmals erlebt - der Grandseigneur Alfred Grosser!



      Schon wie er da auf dem Podium saß - gelassen souverän •



      Seine eloquente tour d‘ horizont ohne jegliche Effekthascherei - ein Genuß!



      & Däh - du packst dich an die Nase - ja wie? - dat jibbet doch jaanich! Dat is doch Alfred Grosser - kein SPD-Fuzzi!



      Hertha vergrämte - als hätte sie in einen Bitterapfel gebissen - das Haar obstrukiv sich bäumend! “Ja gibt’s dess?“



      Genau was oben angerissen - war passiert! Woll



      Wolfgang Schäuble hatte - lange vor seinen asozialen Ergüssen 2011 folgende



      www.bundestag.de/w...hh_finanzen-202546



      &



      www.altersdiskrimi...tikel.php?id=13971



      Sich zum Sozialstaat in einem gerade erschienenen Elaborat noch positiv geäußert; insoweit von Alfred Grosser positiv gesehen - zum Entsetzen von Hertha - ohne aber - klar doch - die Schattenseiten dessen Ansatz unkommentiert zu lassen! Klug nachvollziehbar - Grosser eben! Gell

      kurz - auch im übrigen traten diese oben charakterisierten Seiten seiner Sichtweise deutlich zu Tage. Merci.



      Ein Genuß • bon voyage - Alfred Grosser

      • @Lowandorder:

        Danke für diese ebenso nachvollziehbaren wie charakterisierenden Geschichten. Ein Klargeist eben. Ein kleiner Grandhomme, der die Politprofis aussehen lassen konnte wie bonhommes de neige.

        Seine Konvertierung zum katholischen Glauben irritierte mich. Nachvollziehbar, aus dem eigenen auszusteigen, aber dann zum Katholizismus? Na, egal, hat seiner Unbeirrtheit ja nicht geschadet.

  • In einem taz Interview hat Alfred Grosser Stefan Reinecke 200 8 gegenüber als Jude versichert, der Schutz Israels als Staat sei mehr durch den Schutz universellen Menschen-, Völkerrechts gesichert als durch jede Special Relationship Berlin-Tel Aviv und die beziehe universell den Schutz der Zivilbevölkerung in Libanon, Palästina mit ein. Das Interview fand mit Blick auf den bevorsthenden Besuch Kanzlerin Merkels n Israel ihrer Rede in der Knesset statt, in der Merkel dann mit dem prekären Konstrukt aufwartete, die Sicherheit Israels sei deutsche Staatsräson, um allen Debatten im Für und Wider der Kritik an der Regierungspolitik Staates Israels den Wind aus den Segeln zu nehmen.



    Streitbar war und blieb Grosser bereits in Werner Höfers Frühschoppen Spektakel bei Schoppen Wein und Raucherschwaden seit 50ziger Jahren als Dauergast bis zuletzt so auch in eigenem taz Beitrag, als es 2007 um die Verleihung des Ludwig Börne (1786-1837) Preises in der Paulskirche Frankfurt/Main an Henryk M. Broder ging durch den Focus Herausgeber Helmut Markwort. Das empörte Grosser, weil es für ihn die falsche Wahl war, dem Juden Broder mit populistisch anmutend spitzer Feder nur um Sicherheit Israels und nicht die Sicherheit der Palästinenser im Gaza Streifen, Westjordanland und schon gar nicht gemeinsame gehe. Grossers Blick und Stimme wird fehlen

    taz.de/Alfred-Gros...aelreise/!5185103/

    taz.de/!320991/