Alexis Tsipras bei der Linkspartei: Original mit Untertiteln
Der Chef der griechischen Syriza-Partei holt sich Applaus bei den deutschen Freunden ab. Als es mit der Verständigung hapert, hilft Musik.
BERLIN taz | Um halb acht Uhr abends eilt Alexis Tsipras mit federndem Schritt an das Mikrofon auf der Bühne des Berliner Velodroms. Er ist 39 Jahre und sieht ziemlich gut aus. Tsipras ist der Star vieler Genossen der Linkspartei, die gerade Bernd Riexinger und Katja Kipping wieder zu ihren Vorsitzenden gewählt haben. Ein Linkspopulist, der bewirken könnte, dass bei der Europawahl in Griechenland das Linksbündnis Syriza stärkste Partei wird.
Alexis Tspiras steht dafür, dass gelingen könnte, wovon viele Genossen in Deutschland träumen: dass dort, wo der Finanzkapitalismus seine hässliche Fratze zeigt, die verarmten Massen nach links rücken; dass doch möglich ist, was der Linkspartei hierzulande nicht so recht gelingen will – von der Finanzkrise in Europa zu profitieren.
„It’s time for democracy, time for a change“, ruft der als charismatisch geltende Tsipras in den Saal – und 500 Genossen und Genossinnen applaudieren. Ganz so glamourös wie von manchen erwartet ist der Auftritt des Spitzenkandidaten der Europäischen Linken aber dann doch nicht. Das liegt nicht daran, was er sagt, sondern daran, wie er es sagt.
Der Grieche spricht ungefähr so akzentfrei Englisch wie Arnold Schwarzenegger zu seinen Bodybuilderzeiten als Mister Universe. Wer gut Griechisch und gut Englisch kann, versteht wohl alles. Doch weil das eher die Minderheit im Saal ist, flackert eine deutsche Übersetzung des Skripts in großen Lettern neben dem Hoffnungsträger der Europäischen Linken. Ein Star im OmU also. Weil der Text manchmal schneller läuft, als Tsipras redet, manchmal langsamer, ist es nicht ganz einfach, immer den richtigen Zeitpunkt zum Applaudieren zu finden.
Wir gegen alle
So richtig brandet Beifall auf, als der griechische Linke metaphorisch wird: „Die Bürger sind optimistisch, dass wir die Sparmauern abreißen werden, die von den drei Musketieren der Austerität gebaut wurden: von den Konservativen, den Liberalen und den Sozialdemokraten.“ Wir gegen alle. Das funktioniert fast immer.
Tspiras’ Kernbotschaft lautet: Der Sieg über den Neoliberalismus ist möglich. Das Sparprogramm hat versagt: Vor den rabiaten Kürzungen betrugen die Staatsschulden in Athen 124 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, heute sind es 175 Prozent. Das EU-Geld gehe nicht an Athen, sondern direkt an die Banken. Die willfährige konservative Samaras-Regierung in Athen, die er „Merkels Lieblingsregierung“ nennt, werde nach dem 25. Mai abgelöst. Merkel könne sich schon darauf gefasst machen, es mit einer linken Regierung in Athen zu tun zu bekommen. „We will overcome!“, ruft Tsipras am Ende. Die Genossen jubeln.
Was der Star der Linken sagt, ist gewiss nicht überraschend. Aber Parteitage sind vor allem symbolische Selbstvergewisserungen – vor allem wenn es Sprachbarrieren gibt. Das ist nicht nur bei der europäischen Linken so.
Wo es mit der Verständigung hapert, hilft am Ende Musik. Gemeinsam singt der Saal die Arbeiterhymne „Bandiera rossa“ – auf Italienisch und auf Deutsch. Auf Italienisch klingt das recht hübsch und politromantisch. In der deutschen Übersetzung wird es allerdings ziemlich martialisch: „Vorwärts, Volk, zum Gegenangriff, die rote Fahne wird triumphieren.“
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