piwik no script img

Album „Eusexua“ von FKA TwigsPresslufthammer mit Wackelkontakt

Die britische Künstlerin FKA Twigs schwelgt mit ihrem Album „Eusexua“ in Techno-Entgrenzung. Etwas abgeranzten Neunziger-Jahre-Elektropop gibt's auch.

A murder on the dancefloor? Bei FKA Twigs muss man mit fast allem rechnen Foto: Jordan Hemingway

Im Jahr 2022 zog die britische Musikerin Tahliah Debrett Barnett, besser bekannt als FKA Twigs, für einige Zeit nach Prag. Grund waren die Dreharbeiten für das Remake des 1990er-Rachefilmes „The Crow“, in dem Barnett die weibliche Hauptrolle spielt. Allzu ermüdend scheinen diese für die Musikerin jedoch nicht gewesen zu sein.

Sie tauchte ein in die lokale Undergroundclubszene, entdeckte ihre Liebe zum Techno und zu den Empfindungen, die elektronische Musik auslösen kann, wenn man sich stundenlang exzessiv zu dieser bewegt, eins wird mit dem Beat und mit den anderen Tanzenden um einen herum. Eben dafür erfand sie eine neue Begrifflichkeit: „Eusexua“, ein Kofferwort aus Euphoria und Sexuality, das jene transzendente Sinnlichkeit beschreiben soll, die sie bei den Prager Clubnächten verspürte.

Der britischen Vogue hatte sie dieses im April 2024 beschrieben als einen Seinszustand der Entgrenzung, ähnlich dem „Moment vor dem Orgasmus: pures Nichts, aber auch pure Konzentration“. So wolle sie ihr Leben derzeit leben. Und so heißt auch das neue Album der Künstlerin, das vor Kurzem bei Atlantic erschienen ist. „The Crow“ sei dank. So ist der Film, an dem die Kritik kein gutes Haar ließ und der an den internationalen Kinokassen floppte, für irgendetwas gut gewesen.

„Eusexua“ ist erst das dritte Album der 37-jährigen britischen Künstlerin, ihr erstes bei einem Major Label, und es ist trotz all seiner Vielschichtigkeit ihr bisher poppigstes Werk. Zeit hat sie sich damit gelassen, der Vorgänger „Magdalene“ ist vor fünf Jahren erschienen, nur ein Mixtape stellte sie 2022 zusammen.

Das Album

FKA Twigs: „Eusexua“ (Young/ Atlantic/ Warner)

Einige Auszüge aus ­„Eusexua“ gab es schon vorab, 2023 benutzte die Modemarke Calvin Klein „Striptease“ in einem Werbespot für Unterwäsche, in dem FKA Twigs selbst posierte. Den titelgebenden Song wiederum performte die Künstlerin im Herbst desselben Jahres bei der Modenschau des Luxushauses Valentino.

Prasselnde Trommeln des Todes

Mit „Eusexua“ startet auch das Album, mit zartem, dahingehauchtem Gesang, umweht von einem Beat, der zur Mitte hin Überhand gewinnt, treibender wird, dann wieder verstummt und Barnetts Stimme das Feld überlässt. Oder den Dancefloor. „Don’t call it love“, wispert sie zunächst und meint sich damit wohl vor allem selbst: „People always told me that I take my love too far“, konstatiert sie im Finale des Songs, der programmatisch zu verstehen ist, textlich wie musikalisch.

Schade nur, dass es direkt danach ziemlich abflacht. „Girl Feels Good“ klingt ein wenig arg nach Neunziger-Jahre-Pop, nach Madonnas Hit „Ray of Light“ oder Kylie Minogue, nur eben 30 Jahre zu spät. Auch „Perfect Stranger“ schmiegt sich auf etwas zu konventionelle Weise ins Ohr. Interessanter wird es wieder mit den „Drums of Death“, für die sich FKA Twigs den britischen Elektronikproduzenten Koreless (Lewis Roberts) zur Seite geholt hat. Die Trommeln des Todes, sie prasseln und glitchen zu Barnetts sehnsüchtigem Sopran wie ein Presslufthammer mit Wackelkontakt.

So exerziert FKA Twigs im Verlauf die Dynamiken einer Clubnacht hindurch, besingt in der Manier der frühen Björk auf „Room of Fools“ die Halbgötter und streunenden Hunde auf dem Dancefloor, gibt sich ganz verspielt auf „Childlike Things“ – die japanischen Rapeinlagen darauf stammen übrigens von Kanye Wests Tochter North West – und äußerst nachdenklich auf „Keep It, Hold It“. Und gegen Ende hin, auf dem bereits erwähnten „Striptease“ holt sie noch einmal alles aus sich heraus, das Harte wie das Zarte. Leitet auf diese Weise über zu „24hr Dog“, einer Ode an sexuelle Unterwerfungsfantasien.

So geht es hin und her. FKA Twigs hat ihre künstlerische Reise längst nicht abgeschlossen und lädt ein, es ihr gleichzutun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!