Al-Dschasira-Vertretung in Israel: Vertreibung aus dem Paradies
Dem Israel-Büro von al-Dschasira droht die Schließung. Premier Benjamin Netanjahu wirft dem TV-Sender Hetze in der Tempelberg-Krise vor.
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Es sind keine leichten Zeiten für al-Dschasira. Katars Regierung soll den staatlichen Sender schließen, um die Krise mit Ägypten, Bahrain, Saudi-Arabien und den Emiraten beizulegen. Seit drei Jahren schon sitzt in Kairo ein Al-Dschasira-Reporter hinter Gittern, und Dutzende Mitarbeiter mussten kündigen. Ägypten machte dem Sender eine unfaire Berichterstattung über den Bürgerkrieg in Syrien zum Vorwurf.
Israel hingegen gilt als das Paradies schlechthin für Journalisten im Nahen Osten, und auch al-Dschasiras Arbeit stand bislang nichts im Weg. Die Kataris unterhalten ihre Jerusalemer Büros im selben Komplex, in dem auch das staatliche israelische Presseamt sitzt. Für die Mitarbeiter von al-Dschasira bedeutet das kurze Wege zur Akkreditierung. Einmal im Jahr muss der israelische Presseausweis erneuert werden, was gewöhnlich unproblematisch ist.
Offenbar stießen die Videoaufnahmen eines sich zum Gebet knienden muslimischen Mannes, dem ein israelischer Sicherheitsbeamter einen Tritt verpasst, auf Netanjahus Unmut. Die Sicherheitskräfte hätten bei einem friedlichen Protest, so der Kommentar aus dem Off, ohne Grund angegriffen.
Warum sollte eine Demokratie einen Sender schließen?
Die „Realität auf der Straße“ zu zeigen, gelobt Walid Omary, Bürochef von al-Dschasira in Israel. Dass andere Staaten im Nahen Osten den Sender boykottieren, findet er „nicht überraschend“. Aber warum soll Israel, „die einzige selbsternannte funktionierende Demokratie in der Region“, sich dem anschließen wollen? Omary kommentierte den israelischen Plan, seinen Sender zu verbieten, diese Woche in der liberalen Tageszeitung Ha’aretz. Al-Dschasira, so schreibt der Korrespondent aus Katar, sei mit seiner „unabhängigen Berichterstattung zum Pionier in einer Region geworden, die über Jahrzehnte nur mit Propaganda gefüttert wurde“.
Die meisten Araber hätten bis 1996, als al-Dschasira auf Sendung ging, „nie das Gesicht eines Israelis in einem arabischen TV-Sender gesehen“. Bei vielen habe sogar die Vorstellung bestanden, dass kein anderer als Israel hinter der Gründung des Senders stand. Omary will es daher nicht in den Sinn, dass Israel ausgerechnet den Sender schließen lassen will, „der Israel die seltene Gelegenheit gibt, seine Standpunkte“ einem arabischen muslimischen Publikum darzulegen und „am Dialog mit ihnen teilzunehmen“.
Aktuell bietet die israelische Gesetzeslage offenbar keine ausreichende Grundlage für die geplante Schließung. Netanjahu kündigte deshalb an, „für eine entsprechende Änderung der Gesetze zu sorgen, um die Mitarbeiter des Senders des Landes zu verweisen“. Zuständig für die nötigen Reformvorschläge ist Kommunikationsminister Ajub Kara, der bereits an einem entsprechenden Entwurf arbeitet.
„Die Änderung von Gesetzen, um eine Medienorganisation zu verbieten, ist ein rutschiger Abhang“, warnte unterdessen der Verband der Auslandskorrespondenten (FPA), in dem einige Hundert Journalisten aus aller Welt organisiert sind, darunter allein 30 Mitarbeiter von al-Dschasira.
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