Aktuelles aus der Gefahrenzone: Die Stadt stinkt noch immer nach muffigen Despoten
Silke Burmester war sieben Jahre lang für die taz an der Medienfront im Einsatz. Mit dem G20-Gipfel kommt das Übel nun vor ihre Haustür. Ein Grund, den Helm wieder aufzusetzen
Der G-kacken-Report
von Silke Burmester
Woran erkennt man, dass ein „Festival der Demokratie“ zu Ende ist? Daran, dass im Nachbarviertel Schutt und Asche liegen. Aber auch daran, dass es ruhig ist. Ruhig. Leise. Es gab am Freitag einen Zeitraum von etwa einer Stunde, in der kein Hubschrauber knatterte. Das war, als Frau Merkel ihren Despotengästen in der Elbphilharmonie Beethoven vorspielen ließ und bevor die Linken begannen, ihr alternatives Gesellschaftsmodell vorzustellen.
Auch eine interessante Erkenntnis: Wenn man Menschen mürbe machen will, wenn man will, dass sie gereizt sind, sehr, sehr unfreundlich werden und sich nicht mehr gut unter Kontrolle haben, dann setzt man sie Hubschrauberlärm aus, der nur in der Nacht für zwei, maximal drei Stunden unterbrochen wird.
Ich finde, wenn der Senat für die materiellen Schäden aufkommt, die seinen Bürgern durch Abfackeln ihrer Autos und durch Beschädigung und Plünderung ihrer Geschäfte entstanden sind, dann müsste es Anwohnern auch möglich sein, die Kosten für ein Wellnesswochenende einzureichen. Die Geste, dass am Sonntag die Museen als „Dankeschön“ bei freiem Eintritt zu besichtigen waren, ist komplett lächerlich.
Wer auf total friedlichen Demos erleben musste, wie die Polizei die Eskalation provozierte, wer zum Teil nicht mehr wusste, wie er von der brennenden Schanze weg nach Hause kommen sollte, weil die Straßen dicht waren, wer, wie eine Bekannte, mit seinen Kindern in seiner Schanzen-Wohnung saß und zusehen musste, wie Autonome versuchten, in das Haus einzudringen, wer 600 Meter entfernt, zum Schließen der Fenster genötigt war, weil das Reizgas die Bude durchzog, oder wem die Karre in Flammen aufging, dem ist am nächsten Tag gar nicht danach, Caspar David Friedrich anzugucken, nur weil er ausnahmsweise mal kostenlos zu sehen ist.
Statt Bock auf Museum ist eher so ein Bedürfnis nach Reinigung vorhanden. Man würde gern das „Danach-Gefühl“ loswerden. Das des G20-Hamburg-Katers. Die Vertreter der repressiven Weltordnung sind abgereist, die Absperrungen abgebaut – aber es fühlt sich an, als wäre der Stadtteil vom Geist des Übels besudelt.
Daran hat keiner gedacht: Wie gut es wäre, kollektiv die bösen Geister zu vertreiben. Man hätte sich nach der Abreise der Krampen noch einmal treffen sollen, um das Gelände der Messehallen zu reinigen. So hokuspokusmäßig hätte man mit Räucherstäbchen übers Gelände schleichen sollen, irgendwelche Indianer- oder Mönchsgesänge ertönen lassen und die Atmosphäre von den Trumps, Putins und Erdoğans mit ihrer Aura des Gestanks von Käsefüßen gereinigt. Angesichts möglicher Knappheit an Räucherstäbchen wäre auch Raumspray gegangen. Ich glaube, das hätte uns, die wir hier leben und den ganzen Scheiß aushalten mussten, sehr gutgetan. Das Gefühl ist, wir hätten gern „unser Hamburg“ zurück.
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