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+++Aktuelle Nachrichten aus Syrien+++Dschihadisten weiter auf Vormarsch

Die US-Regierung macht die Abhängigkeit Syriens von Russland und dem Iran mitverantwortlich. Bisher wurden mutmaßlich 277 Menschen getötet.

Ein syrischer Oppositionskämpfer schießt in die Luft in der Innenstadt von Aleppo Foto: Ghaith Alsayed/ap

Nach dem Vorrücken dschihadistischer Gruppierungen im Norden Syriens hat die syrische Regierung Aktivisten zufolge die Kontrolle über Aleppo verloren. „Erstmals seit Beginn des Konflikts im Jahr 2012 ist die Stadt Aleppo nicht mehr unter der Kontrolle der syrischen Regimekräfte“, sagte der Chef der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP mit Blick auf die zweitgrößte syrische Stadt. Aleppo war bis zu seiner Rückeroberung durch die Regierungstruppen von Machthaber Baschar al-Assad 2016 Schauplatz erbitterter Kämpfe während des Bürgerkrieges. (afp)

USA: Haben nichts mit Rebellenoffensive in Syrien zu tun

Die US-Regierung macht die Abhängigkeit der syrischen Staatsführung von Russland und dem Iran mitverantwortlich dafür, dass Regierungstruppen der Rebellen-Offensive im Nordwesten des Bürgerkriegslandes nicht standhalten konnten. Zudem habe Präsident Baschar al-Assad mit seiner Weigerung, sich auf einen politischen Prozess zur Befriedung des Konflikts einzulassen, die Bedingungen für die derzeitige Situation geschaffen, erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, Sean Savett. „Gleichzeitig haben die Vereinigten Staaten nichts mit dieser Offensive zu tun.“ Die Offensive werde angeführt von der Terrororganisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS).

Savett sagte, die USA drängten auf Deeskalation, Schutz der Zivilbevölkerung und Minderheiten sowie auf einen politischen Prozess, der den seit 2011 anhaltenden Bürgerkrieg im Einklang mit der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats ein für alle Mal beenden könne. Das oberste Gremium der Vereinten Nationen hat eine Reihe von Resolutionen zum Syrienkrieg verabschiedet. Die Resolution 2254 vom 18. Dezember 2015 sieht unter anderem die Vermittlung von Friedensgesprächen der Regierung mit der Opposition vor. (dpa)

Russische Kampfjets im Einsatz gegen Rebellen in Syrien

Russische Kampfflugzeuge sind im Tagesverlauf in Syrien zu mehreren Einsätzen gegen Einheiten der Rebellen aufgestiegen. Dabei seien rund 300 Kämpfer getötet worden, sagte Oleg Ignasjuk, stellvertretender Leiter der russischen Mission in Syrien. Es seien Befehlsstellen, Artilleriestellungen und Lager der Rebellen angegriffen worden. „Die Operation zur Abwehr der extremistischen Aggression wird fortgesetzt“, zitierte ihn die Staatsagentur Tass weiter. Seine Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Ignasjuk machte zudem keine Angaben über die Einsatzorte der Kampfflugzeuge.

Eine Allianz von Aufständischen unter der Führung der Islamistenorganisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hat in dieser Woche bei einer Offensive im Nordwesten Syriens überraschend große Gebietsgewinne verzeichnet. Die Rebellen haben auch fast die gesamte Millionenstadt Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht.

Russland hat die syrische Regierung 2015 im Bürgerkrieg massiv militärisch unterstützt und trug mit seiner überlegenen Luftwaffe dazu bei, dass Präsident Baschar al-Assad seine wankende Machtstellung wieder festigen konnte. Seitdem hat Moskau eine Anzahl von Kampfbombern und Hubschraubern auf dem Flughafen Hmeimim sowie ein Truppenkontingent in unbekannter Stärke in der Hafenstadt Tartus stationiert. (dpa)

Moskau erörtert Lage in Syrien mit Teheran und Ankara

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat mit seinen Kollegen im Iran und der Türkei die aktuelle Lage in Syrien erörtert. Die Minister Abbas Arraghchi (Iran) und Hakan Fidan (Türkei) hätten sich in ihren Gesprächen mit Lawrow besorgt gezeigt über die Eskalation durch das Vordringen der Rebellen in den Provinzen Aleppo und Idlib, berichtete die russische Staatsagentur Tass.

Sie seien sich einig, „dass die gemeinsamen Bemühungen um eine Stabilisierung der Lage in Syrien intensiviert werden müssen“. Zudem müsse die Lage im Rahmen des sogenannten Astana-Formats besprochen werden. In einer Mitteilung des russischen Außenministeriums heißt es dazu, dass die territoriale Integrität und Souveränität Syriens „entschlossen unterstützt“ werde. (dpa)

Dschihadisten in Syrien rücken vor – Armee leistet kaum Widerstand

Dschihadistische Kämpfer in Syrien haben bei ihrem Vorrücken im Nordwesten des Landes Aktivistenangaben zufolge die Hälfte der Stadt Aleppo erobert. „Die Hälfte der Stadt Aleppo ist jetzt unter der Kontrolle von Hajat Tahrir al-Scham und verbündeten Gruppen“, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, der Nachrichtenagentur AFP am Samstag. Die syrischen Regierungstruppen leisteten demnach keinen wesentlichen Widerstand.

„Als die Regimekräfte sich zurückzogen, gab es keine Kämpfe, nicht ein einziger Schuss ist gefallen“, fügte Rahman hinzu. Im Stadtteil Neu-Aleppo kam es zu Kämpfen, wie ein AFP-Reporter vor Ort berichtete.

Der syrische Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und verbündete Gruppen hatten am Mittwoch eine überraschende Großoffensive gegen die Streitkräfte der syrischen Regierung gestartet – es sind die heftigsten Kämpfe seit dem Jahr 2020. Rahman zufolge drangen die Islamisten am Freitag in die Großstadt Aleppo ein. Die Region wurde bisher größtenteils von der Regierung kontrolliert.

Laut syrischen Medien wurde Aleppo auch erstmals seit vier Jahren von HTS bombardiert. Vier Zivilisten wurden demnach getötet, als die Dschihadisten ein Studentenwohnheim angriffen. (afp)

Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden seit Mittwoch mindestens 277 Menschen getötet

Die Provinz Aleppo grenzt an die letzte große Rebellen- und Dschihadisten-Hochburg Idlib. HTS-Kämpfer kontrollieren große Teile von Idlib, aber auch angrenzende Gebiete in den Regionen Aleppo, Hama und Latakia. Rahman zufolge leistete die syrische Armee beim Vorstoß der Dschihadisten auf Aleppo bereits zuvor keinen nennenswerten Widerstand. Demnach erreichten die Kämpfer die Tore der Stadt, „nachdem sie zwei Selbstmordanschläge mit Autobomben verübt hatten“.

Die syrische Regierung hatte hingegen mitgeteilt, die Armee habe die „Großoffensive bewaffneter Terrorgruppen“ auf Aleppo abgewehrt und mehrere Stellungen zurückerobert. Die Armee entsandte Verstärkung in die zweitgrößte Stadt Syriens, in deren Umkreis es Regierungsangaben zufolge bereits zuvor zu „heftigen Kämpfen und Zusammenstößen“ gekommen war.

„Zum ersten Mal seit fast fünf Jahren hören wir ständig Raketen und Artilleriegranaten, manchmal auch Flugzeuge“, sagte ein 51-jähriger Bewohner von Aleppo der AFP am Telefon. Die Menschen hätten Angst, „dass sich das Kriegsszenario wiederholt und wir gezwungen sein werden, aus unserer Heimat zu fliehen“. Zwei Anwohner berichteten von Kämpfern auf der Straße und Panik.

Die syrischen Truppen wurden vom Verbündeten Russland unterstützt. Die russische Luftwaffe bombardiere „Ausrüstung und Personal illegaler bewaffneter Gruppen“ zitierten russische Nachrichtenagenturen einen für Syrien zuständigen Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau. 200 Kämpfer seien bei den russischen Angriffen der vergangenen 24 Stunden getötet worden, erklärte der russische Ministeriumssprecher zudem.

Die Syrische Beobachtungsstelle meldete zudem 23 Luftangriffe syrischer und russischer Kriegsflieger auf die Rebellenhochburg Idlib. Die Beobachtungsstelle erklärte, die Dschihadisten hätten innerhalb der vergangenen Tage bereits „mehr als 50 Dörfer und Städte“ in den Regionen Aleppo und Idlib im Norden und Nordwesten des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Am Freitag hätten die Dschihadisten die an einem Verkehrsknotenpunkt gelegene Stadt Sarakib eingenommen.

Nach Angaben der Beobachtungsstelle wurden seit Mittwoch mindestens 277 Menschen getötet, ein Großteil von ihnen Kämpfer auf beiden Seiten, aber auch Zivilisten, die demnach vor allem den russischen Luftangriffen zum Opfer fielen. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen. (afp)

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9 Kommentare

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  • Gegen Assad zu kämpfen, ist jetzt nicht unbedingt ein Negativ-Kriterium, gegen das man Partei ergreifen muß.

    Also bitte, liebe Redaktion, etwas genauer, wer da was macht. Diese Kämpfer in einem Artikel "Rebellen", in einem anderen "Dschihadisten" zu nennen, trägt nicht viel zum Verständnis der Vorgänge bei.

  • Ich jedenfalls bin froh, dass Russland Assad diesmal wird nicht helfen können. 2013 hätte Obama Assad Schreckensregime beenden können. Er hat es leider unterlassen.

  • Mal ganz Naiv gefragt, vielleicht hat ja hier jemand die Expertise...Wieso gibt es eigentlich so viele fundamentalistische Gruppen im Nahen Osten/ Afrika? Warum sind es selten demokratische Kräfte die sich dort durchsetzen? Gibt es in der Bevölkerung nicht den Wunsch in einem demokratischen Land zu leben? Und wenn ja, warum gewinnen diese scheinbar nie die Oberhand? Afghanistan, Iran, Syrien usw...ständig bleiben die Fundamentalisten am Ende an der Macht. Über eine Antwort oder empfehlenswerte Lektüre zu dem Thema wäre ich sehr dankbar.

    • @Pawelko:

      Wenn Menschen nicht um Ressourcen bzw. Macht kämpfen wollen, dann für ein Heilsversprechen. Das kann Befreiung von Fremdherrschaft sein, Wohlstand, Demokratie, usw. In der islamischen Welt wird eben jeder schon mit dem Heilsversprechen des Islam großgezogen; die meisten ziehen wohl gar nicht in Betracht, dass das Versprechen falsch sein könnte. Wenn dann die Frage aufkommt: „nach welchem Vorbild sollen wir unsere Gemeinschaft organisieren?“; findet bei solch einer kulturellen Vorprägung die Grundidee des Isl. Fundamentalismus, nämlich die Gemeinde des Religionsstifters als Vorbild zu nehmen natürlich leichter seine Anhänger, als andere Ideen – gewissermaßen Heimvorteil. Zumal das Regelwerk welche aus diesem Vorbild abgeleitet wurde, die Scharia über ein Jahrtausend das Staatswesen in der Region geprägt hatte.

      Man muss sich auch bewusst sein, dass unser Begriff von Demokratie und Menschenrechten doch sehr christlich geprägt ist: die Menschenrechte wurden von 9 Personen formuliert, davon waren 8 Christen oder wuchsen in christlich geprägten Ländern auf. Nur 1 Chinese bildete die Ausnahme. Entsprechend sind die Menschenrechte mit christlichen Moralvorstellungen gut vereinbar.

    • @Pawelko:

      Weil Islamisten genau wie Nazis gute Soldaten abgeben, Demokraten sind meist eher Städter, gebildet, wollen die körperlichen Belastungen Kämpfer zu werden nicht auf sich nehmen. Gibt schon genügend demokraten dort, aber die machen sich oft auf und davon sobald sie die Möglichkeit bietet im Westen zu leben, was man ihnen auch nicht vorwerfen kann, aber die Islamisten bleiben halt und kämpfen so einen Krieg halt auch mal 12 Jahre lang aus...

      • @Machiavelli:

        Aber ist dann nicht in jedem Fall der Nahost verloren?

        Militärische Interventionen des demokratischen Westens scheitern (Afghanistan, Irak usw)

        Wandel durch Diplomatie funktioniert auch nicht. Man kann nicht diplomatisch jemanden ändern der genau die Werte weltweit zerstören will, für die diese Länder stehen.

        In Europa unter den Nazis gab es noch den Widerstand. Ich lese nie von demokratischen Kräften die aus dem Untergrund gegen die Fundamentalisten vorgehen.



        (Oder ist das vielleicht nur nicht in den Nachrichten zu lesen?)



        Natürlich ist die Geografie eine andere, aber das kann doch nicht alles sein.

        Ich muss doch für meine Kinder eine Welt ohne religiösen Fundamentalismus wollen.

        • @Pawelko:

          Wollen schon aber die Bereitschaft dafür dienen Bürgerkrieg auszufechten ist weit geringer. Demokraten verteidigen ihre Demokratie in Kriegen aber sie errichten sie seltenst in Bürgerkriegen. Das ist auch kein nahostsondern ein menschheitsproblem.

          • @Machiavelli:

            Nachvollziehbar aber traurig...ich danke Ihnen für Ihre Perspektive.

            • @Pawelko:

              Gibt da ein Buch von Gene Sharp von der Diktatur zur Demokratie da geht er auch darauf ein warum das erreichen einer Demokratie aus einem Bürgerkrieg heraus schwierig bis unmöglich ist. Man erschafft da eine Elite die den Krieg gekämpft hat und das führt zu massiven Problemen siehe Bangladesch.