Aktivist*in über UN-Klimakonferenz: „Es gibt dort keine echte Lösung für die Klimakrise“
Von der Weltklimakonferenz erhofft sich Klimaaktivist*in Dianx Cantarey aus Mexiko nicht viel. Cantarey hat einen Gegengipfel mitorganisiert.
taz: Heute startet der Weltklimagipfel in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Sie haben bis Sonntag im mexikanischen Oaxaca eine Woche lang einen Gegengipfel abgehalten. Warum?
Dianx Cantarey: Die Entscheidungen auf den Weltklimakonferenzen werden von einer sehr kleinen Anzahl von Personen getroffen, die in erster Linie den Interessen des Kapitals dienen. In den 30 Jahren, in denen die Gipfel stattgefunden haben, ist das Einzige, was passiert ist, dass die Treibhausgasemissionen weiter zugenommen haben. Es gibt dort keine echte Lösung für die Klima- und Zivilisationskrise. Und die Stimmen indigener Völker und der Verteidiger von Land werden außer Acht gelassen.
30, ist Künstler*in und Klimaaktivist*in aus Mexiko-Stadt. Als Teil der Bewegung „Deuda por Clima“ hat Cantarey den Gegengipfel zur Weltklimakonferenz koordiniert.
taz: Sie meinen Menschen, die ihre Grundstücke und die Gebiete, auf denen sie leben, zum Beispiel vor Megaprojekten von Regierungen und Unternehmen retten wollen, die sich auf die Unversehrtheit der Natur auswirken?
Cantarey: Genau. Bei unserem Gegengipfel haben wir die Basisbewegungen zur Verteidigung von Land mit Klima- und Umweltbewegungen zusammengebracht, um Strategien vorzuschlagen und gemeinsame Pläne für die Zukunft zu entwickeln.
taz: Warum gerade in Oaxaca?
Cantarey: Oaxaca hat eine Geschichte der Rebellion. Und es waren die lokalen Indigenen-Organisationen des nahegelegenen Isthmus von Tehuantepec, der Landenge zwischen Atlantik und Pazifik in Südmexiko, die uns zusammengerufen haben. Letztlich beteiligten sich dann auch indigene Gemeinden anderer Bundesstaaten Mexikos an der Organisation. Und unter den Teilnehmer:innen waren Menschen aus 45 Nationen und von allen fünf Kontinenten.
taz: Über welche Themen haben Sie diskutiert?
Cantarey: Es gab vier verschiedene Arbeitsbereiche: Einer behandelte die Folgen von Megaprojekten auf die Klimakrise.
taz: Damit meinen Sie zum Beispiel den umstrittenen Bau des Tren Maya im Süden Mexikos? Es geht dabei um zwei neue Zugstrecken, eigentlich also ein klimafreundliches Verkehrsprojekt – nur dass dafür tausende Hektar Regenwald sowie zahlreiche indigene Kulturgüter zerstört werden mussten.
Cantarey: Exakt. Dann ging es noch um Migration und Zwangsvertreibung durch organisiertes Verbrechen und Militarisierung, um die Monetarisierung des Lebens und die globale Wasserkrise. Diese vier Themenstränge wirken sich auch auf die Klima- und Zivilisationskrise aus. Von diesem Standpunkt aus konnten wir als Bewegungen Strategien entwickeln und herausfinden, wie wir sie umsetzen können. Veranstaltungen gab es parallel an drei verschiedenen Orten. Darunter zum Beispiel akademische Seminare an einer Universität hier in Oaxaca, öffentliche Veranstaltungen und Workshops für alle und ein privates Treffen zur Organisation und Strategieplanung für die eingeladenen Protestbewegungen.
taz: Gab es denn ein Ergebnis?
Cantarey: Ja. Das erste Ziel war, diesen Moment der Begegnung zwischen den Gebietsverteidigern und der Umweltbewegung zu schaffen, die vorher sehr getrennt voneinander waren. Die Umwelt- und Klimabewegung wurde bislang immer als etwas Nördliches, sehr Weißes, als ein Hobby angesehen. Aber hier haben die beteiligten Gemeinden erkannt, dass es wichtig ist, diese Bewegungen zu vereinen, um Fähigkeiten auszubauen und Erfahrungen auszutauschen.
taz: Haben Sie eine Botschaft an die Regierungsvertreter:innen in Baku?
Cantarey: Wir haben unsere Positionen jedenfalls in eine Erklärung gegossen, die wir versuchen, an die Weltklimakonferenz zu schicken.
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