Aktivist über Uni-Reform in NRW: "Reinstopfen, auskotzen, vergessen"
Schüler und Studenten demonstrieren in Düsseldorf für eine andere Bildungspolitik. Beim Bachelor bleibt keine Zeit für Reflexion, kritisiert Aktivist Patrick Schnepper.
taz: Herr Schnepper, heute große Bildungsdemo vor dem Düsseldorfer Landtag. Worum geht es?
Patrick Schnepper: Vier Tage vor der NRW-Wahl wollen wir mehr Druck auf die Politik machen. Denn trotz der großen Bildungsstreiks 2009 hat sich an den Schulen und Unis nicht viel geändert. Die Forderungen der SchülerInnen und Auszubildenden werden kaum diskutiert - und für die Studierenden gabs nicht mehr als Lippenbekenntnisse.
Was fordern Sie konkret?
Der 30-Jährige ist zweiter Asta-Vorsitzender der Uni Köln. Bis August 2009 war er Koordinator der Landes-Asten-Treffen NRW und hat die Bildungsstreiks organisiert.
An den Unis die Reform der viel zu verschulten Bachelor- und Masterstudiengänge und das Ende der sozial selektiven Studiengebühren, an den Schulen Alternativen zum achtjährigen Turbo-Abitur und ein Ende der Kopfnoten. Da ist zu viel Stoff in die Lehrpläne gepresst worden. Und die Kopfnoten, die das Sozialverhalten bewerten sollen, liefern die SchülerInnen einzelnen Lehrern aus: Die sollen eine Persönlichkeit bewerten, ohne deren soziales Umfeld genau zu kennen.
Grundsätzlicher werden Sie nicht?
Doch. Wir wehren uns gegen gegen die Reduzierung der Bildung auf den neoliberalen Leistungsgedanken. Die Reformen der vergangenen Jahre zielten darauf ab, der Wirtschaft schneller besser verwertbares Humankapital bereitzustellen. Die persönliche Entwicklung bleibt genauso auf der Strecke wie das humanistische Bildungsideal. Das Bachelor- und Mastersystem lässt keine Zeit zur Reflexion, sondern fördert Bulimie-Lernen: Reinstopfen, zum Multiple-Choice-Test auskotzen, vergessen.
Ihre Alternative?
Ein Grundrecht auf kostenlose Ausbildung für alle von der Kita bis zur Uni. Die Kinderbetreuung muss kostenlos sein - denn da fängt soziale Selektion schon an. Wir wollen Bildungsbarrieren wie die in NRW noch immer praktizierte Aufteilung in Haupt- und Realschüler und Gymnasiasten nach der vierten Klasse abschaffen. Oft hängt die Zukunft der Kinder nur daran, ob die Eltern Geld für Nachhilfe haben.
Und die Studiengebühren?
Müssen abgeschafft werden. Erst gestern ist eine neue Studie erschienen, die etwa meiner Uni in Köln bescheinigt, dass die Betreuung der Studierenden oder die Ausstattung der Bibliothek nicht besser geworden ist - dabei war uns genau das versprochen worden. Da frage ich mich doch: Wozu zahle ich überhaupt?
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