Aktionswoche von Extinction Rebellion: Ungehorsam anschlussfähig gemacht
Viele Protestler haben jetzt ihre ersten Erfahrungen in zivilem Ungehorsam gemacht. Es gibt viele Pro und viele Contras. Ein Wochenkommentar.
Natürlich sind die roten Kutten, die als theatralischer Trauerzug durch Blockaden schreiten und Endzeitstimmung verbreiten, nicht jedermanns Geschmack. Aber sie sind nur ein Splitterchen: Der Protest ist so bunt, man sieht so viele Ausdrucksformen, Kostüme, gemalte und geschriebene Botschaften – das ist das Gegenteil von Sektenhaftigkeit. Und an der zentralen Botschaft der Proteste – der Sorge um das Überleben auf diesem Planeten und der Kritik am Nichthandeln der Politik – kann ja wohl von linker Seite kein Zweifel bestehen.
Auch das XR-Credo der absoluten Gewaltfreiheit mag aus der Perspektive der reinen linken Lehre kritikwürdig – da staatstragend – sein. Aber wer gesehen hat, wie sich grauhaarige Omas Seite an Seite mit TeenagerInnen von der Straße tragen lassen, wer gehört hat, wie PassantInnen mit AktivistInnen über ihre Zukunftsängste und -sorgen sprechen, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es genau diese Gewaltfreiheit ist, die den Protest anschlussfähig macht für Menschen, die bislang nicht oder wenig über ihren Tellerrand geschaut haben.
Viele Protestler, BerlinerInnen und NichtberlinerInnen, haben in dieser Woche ihre ersten Erfahrungen in zivilem Ungehorsam gemacht. Dabei haben einige auch gelernt, dass die Polizei nicht immer so freundlich ist wie man selbst ihr gegenüber: Wenn es dem „Freund und Helfer“ reicht, kann er eben auch Schmerzgriffe.
Mehr geschafft als viele andere Bewegungen
Auch wird die Bewegung am Ende der Woche, so viel Prophetie sei erlaubt, keines ihrer drei Ziele erreicht haben: Die Bundesregierung wird keinen Klimanotstand ausrufen, sie wird keinen Klimaplan vorlegen, der bis 2025 die CO2-Emissionen auf null senkt, sie wird auch keine BürgerInnenversammlung einberufen, um dafür notwendige Maßnahmen zu beschließen.
Allerdings sollte sich die nicht gerade erfolgsverwöhnte Linke hüten, XR daran zu messen. Denn diese Bewegung hat jetzt schon mehr geschafft als viele andere vor ihr. XR ermutigt sehr viele Leute, die private Komfortzone zu verlassen und sich zu engagieren. Das wiederum bringt viele andere Menschen zum Nachdenken. Das alles reicht zwar noch nicht – aber es ist ein Anfang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!