Aktionswoche fürs „Containern“: Müll soll für alle da sein
AktivistInnen, die Lebensmittel aus dem Müll fischen, werden noch immer dafür angeklagt. Nun findet eine Aktionswoche statt.
Bergstedt ist keiner, der sich drückt, deshalb vor Gericht zu stehen – im Gegenteil. Erst vor knapp einem Jahr hatte er gehofft, in Gießen selbst angeklagt zu werden, um in einem Strafprozess öffentlichkeitswirksam dafür zu streiten, dass Containern eben kein Diebstahl ist, wie juristisch zumeist argumentiert wird. Allein: Der Prozess kam nicht zustande, weil das Unternehmen Tegut, die vermeintlich von Bergstedt beklaute Firma, selbst am Straftatbestand zweifelte.
Und jetzt das: Obwohl zu einem neuen Prozess Mitte April gegen zwei Container-AktivistInnen, diesmal im nordrhein-westfälischen Aachen, eigens eine Aktionswoche in mehreren Städten organisiert wurde und eine von Bergstedt organisierte Bundestagspetition für straffreies Containern online gegangen ist, ist der Prozess verschoben – auf Juni. „Die hatten Angst vor der Aktionswoche“, witzelt Bergstedt. Laut Gericht ist allerdings nur ein Verteidiger verhindert.
Nichtsdestotrotz, die Aktionswoche findet statt. Vom 3. bis 11. April wurden unter anderem in Aachen und Gießen Straßentheater, Demos, öffentliches Containern und Filmabende organisiert. Eine Liste mit mehr als 100.000 Unterschriften für die Einstellung des Verfahrens soll an die Aachener Staatsanwaltschaft übergeben werden. „Konkret sind zwei Menschen angeklagt, gemeint sind aber viel mehr“, heißt es auf der Seite des Aachener Bündnisses „Containern ist kein Verbrechen“.
Eine Petition fürs Containern
Parallel soll online eine weitere Petition starten, diesmal beim Bundestag, mit deren Hilfe das Containern entkriminalisiert und der Diebstahlparagraf 242 geändert werden sollen. In vier Wochen sollen 50.000 Unterschriften gesammelt werden – wenn das gelingt, werden die AktivistInnen im Petitionsausschuss öffentlich angehört. „Bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jährlich weggeworfen“, heißt es in der Petition. „Durch Strafverfahren gegen Menschen, die Lebensmittel oder verwertbare Sachen aus dem Müll retten, helfen staatliche Institutionen bei dieser Wegwerfkultur“.
Die Bundestagsfraktion der Linkspartei hat bereits zugesagt, die Petition zu unterstützen. Begleitend werde ein Antrag der Linksfraktion zum straffreien Containern und zur Verpflichtung von Betrieben vorbereitet, Genießbares statt in den Müll an Kunden und MitarbeiterInnen unentgeltlich abzugeben.
Die beiden AktivistInnen, denen vorgeworfen wird, im Sommer 2015 bei einem Supermarkt containert zu haben, werden nun am 9. Juni vor dem Aachener Landgericht stehen. Sie sind wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall angeklagt. Dafür sieht das Gesetz bislang eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zehn Jahren vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja