Aktionstag der „Seebrücke“: Geflüchtete endlich herholen
Noch immer warten Geflüchtete in Griechenland auf die Überführung nach Deutschland. Helfer kritisieren die Verzögerungen durch hiesige Behörden.
Sie forderten im Rahmen des bundesweiten Aktionstages des Bündnisses „Seebrücke“ eine Evakuierung der Flüchtlingslager in Griechenland und der Sammelunterkünfte für Flüchtlinge in Deutschland. Dort seien die Menschen dem Coronavirus auf engstem Raum ausgeliefert. Alle Kundgebungen verliefen ohne Probleme, obwohl die erlaubte Teilnehmerzahl zum Teil erheblich überschritten wurde.
Die zentrale Kundgebung war am Sonntag am Roten Rathaus in Berlin geplantn. Laut Polizei sind 50 Teilnehmer zu dem Protest angemeldet. Auf Facebook hatten am Freitag mehr als hundert Menschen ihre Teilnahme zugesagt. Die Initiative „Seebrücke“ ruft dazu auf, alte Schuhe, selbstgebastelte Schiffchen oder Schilder mit Forderungen auf den Stufen vor dem Roten Rathaus abzulegen.
Die Organisatoren in Berlin fordern, mehr Flüchtlinge in der Stadt aufzunehmen. „Ein Staat, der in kürzester Zeit 200 000 deutsche Tourist*innen zurückholen und 80 000 Erntehelfer*innen für die Rettung des deutschen Spargels einfliegen kann, zeigt damit deutlich seine Prioritäten: Das Leben der Geflüchteten ist ihm nichts wert“, heißt es in dem Aufruf. Anfang Mai erreichten die ersten acht Kinder aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria Berlin.
Evakuierung sei „absolute Pflicht“
Die Bewegung Seebrücke hatte sich im Sommer 2018 gegründet und fordert die Entkriminalisierung der Seenotrettung, sichere Fluchtwege und sichere Häfen für Flüchtlinge. Einen Tag vor der Kundgebung in Berlin waren am Samstag Aktionen in mehr als 50 Städten in acht Ländern geplant, hieß es in einer Mitteilung. Motto des Aktionstages: „Leave No One Behind“ (deutsch: Lasst niemanden zurück!).
Eine Evakuierung vor allem der Lager auf den griechischen Inseln sei angesichts des Coronavirus „eine absolute Pflicht“, sagte Pastor Guido Schwegmann-Beisel am Sonnabend dem epd. Der stellvertretende Superintendent des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Osnabrück war Hauptredner während der Osnabrücker Kundgebung. Solidarität und Nächstenliebe seien das Gebot der Stunde, forderte der Theologe.
Schwegmann-Beisel kritisierte, dass die Bundesregierung bislang nicht mehr als 47 Kinder aus den Lagern nach Deutschland geholt habe, obwohl sich bundesweit mittlerweile mehr als 150 Städte bereiterklärt hätten, Flüchtlinge aufzunehmen. „Das ist ein Armutszeugnis. Ein solches Geeier geht überhaupt nicht. Wir müssen diese Alibi-Geschichten jetzt lassen und endlich viel mehr Menschen aufnehmen.“
Die niedersächsischen Grünen erneuerten anlässlich des Aktionstages der „Seebrücke“ ihre Forderung, dass Niedersachsen ein eigenes Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete aus den griechischen Lagern auflegen soll.
Kinder sollen Vorrang haben
„Statt ständig zu wiederholen, dass Niedersachsen bereit stehe, muss der Ministerpräsident endlich handeln und ein eigenes, großzügiges Landesaufnahmeprogramm an den Start bringen“, sagte die Landesvorsitzende Anne Kura am Sonnabend. Berlin und Thüringen bereiteten bereits eigene Aufnahmeprogramme vor.
Das Innenministerium wies die Forderung zurück. Dafür wäre das Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium erforderlich, sagte eine Sprecherin dem epd. Das sei aber nicht zu erwarten. Zudem würde die Organisation viel Zeit erfordern, so dass eine schnellere Aufnahme damit nicht zu erreichen sei. Minister Boris Pistorius (SPD) habe aber seinem Bundeskollegen Horst Seehofer (CSU) mitgeteilt, dass Niedersachsen 100 Personen aufnehmen könne.
Das Bundesinnenministerium betonte gegenüber dem epd, Deutschland werde sich jetzt im Rahmen der Zusage, 350 Personen aufzunehmen, „auf die wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftigen Kinder fokussieren“.
Diese würden derzeit von griechischen Behörden in Zusammenarbeit unter anderem mit der Europäischen Kommission und dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR ausgesucht und dann zunächst auf das griechische Festland gebracht. Finnland, Portugal und Irland hätten sich bereiterklärt, im Juni mit der Aufnahme von Kindern zu beginnen, sagte eine Sprecherin.
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