piwik no script img

Aktionsplan für BehinderteRaus aus der Sonderschule

Nach den Plänen von Sozialminister Scholz sollen behinderte und nichtbehinderte Kinder in Zukunft gemeinsam die Schule besuchen.

Mit den richtigen Hilfsmitteln funktionierts: Sehbehindertes Kind in einer Lübecker Grundschule. Bild: dpa

BERLIN taz Bundessozialminister Olaf Scholz (SPD) hat einen "nationalen Aktionsplan" angekündigt, der dafür sorgen soll, dass behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam die Schule besuchen. Bisher werden in Deutschland rund 84 Prozent der Schüler mit Behinderungen auf Sonderschulen geschickt - insgesamt mehr als 400.000 Kinder und Jugendliche. "Das muss sich ändern", sagte Scholz auf einer von seinem Ministerium veranstalteten Konferenz am Mittwoch in Berlin.

Eine echte Chance auf dem Arbeitsmarkt werde der Mehrzahl der Förderschüler verwehrt, sagte Scholz weiter. Rund 80 Prozent von ihnen erreichten derzeit noch nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Scholz: "Wir brauchen Schulen, die kein Kind einfach abschreiben."

Auf der Konferenz beraten noch bis diesen Donnerstag Experten und Vertreter der Bundesländer, wie die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden soll. Sie ist Ende März in Deutschland in Kraft getreten und verlangt ein inklusives Bildungssystem. Das heißt: Das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern soll zur Regel werden.

Das Thema Bildung fällt eigentlich nicht in das Ressort von Sozialminister Scholz, und Schulen sind ohnehin Ländersache. Doch mit seiner Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss hatte sich Scholz bereits in der Vergangenheit zum Anwalt der Benachteiligten im deutschen Bildungssystem gemacht - und macht dies nun mit den behinderten Schülern erneut.

Doch auch die Länder scheinen sich zu bewegen - zumindest einzelne. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) kündigte am Mittwoch ein Papier der Kultusministerkonferenz für Ende Juni an, in dem stehen soll, wie die Länder die UN-Vorgaben umsetzen wollen. "Deutschland hat im Vergleich zu anderen europäischen Staaten einen Nachholbedarf", sagte sie.

Erdsiek-Rave will den Umbau zu einem inklusiven Bildungssystem durch die "demografische Rendite" finanzieren. Damit sind Gelder in Milliardenhöhe gemeint, die in den kommenden Jahren durch den Rückgang der Schülerzahlen frei werden.

Schleswig-Holstein gilt als Vorreiter bei der Integration behinderter Schüler. Dort besuchen 45 Prozent der Schüler mit Behinderungen eine normale Schule, in zehn Jahren sollen es 85 Prozent sein. Weit abgeschlagen sind dagegen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt mit einer Integrationsquote von etwa 5 Prozent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • AD
    Axel Dörken

    Es ist eine der asozialen Praktiken in Deutschland, die die Menschenrechte sträflich verletzt. Die Nichtintegration von so genannten Behinderten.

     

    Mit einer Integration von Schülern der Sonderschulen an die klassiche Schule kann im Wesentlichen zweierlei erreicht werden:

     

    1. Die Erkenntnis, dass wir alle behindert sind. Bei jenen, die als Behinderte bezeichnet werden, ist es lediglich deutlicher zu erkennen.

     

    2. Die Normalität verschiebt sich dahin, dass alles als normal anerkannt wird, da es zur Natur, bzw. zum Menschsein gehört.

     

    Selbstredend, dass wir hiefür eine Reform des Schulwesens an sich, wie auch eine Reform der Lehrerausbildung brauchen.

     

    Und, auch selbstredend, dass wir wesentlich mehr Tolleranz, mehr Offenheit und mehr Vertrauen des einzelnen Menschen brauchen.

     

    Sozialisierung bedingt, wie die Resozialisierung, die Veränderung des eigenen Denkens, Glaubens und Handelns.

  • AD
    Axel Dörken

    Es ist eine der asozialen Praktiken in Deutschland, die die Menschenrechte sträflich verletzt. Die Nichtintegration von so genannten Behinderten.

     

    Mit einer Integration von Schülern der Sonderschulen an die klassiche Schule kann im Wesentlichen zweierlei erreicht werden:

     

    1. Die Erkenntnis, dass wir alle behindert sind. Bei jenen, die als Behinderte bezeichnet werden, ist es lediglich deutlicher zu erkennen.

     

    2. Die Normalität verschiebt sich dahin, dass alles als normal anerkannt wird, da es zur Natur, bzw. zum Menschsein gehört.

     

    Selbstredend, dass wir hiefür eine Reform des Schulwesens an sich, wie auch eine Reform der Lehrerausbildung brauchen.

     

    Und, auch selbstredend, dass wir wesentlich mehr Tolleranz, mehr Offenheit und mehr Vertrauen des einzelnen Menschen brauchen.

     

    Sozialisierung bedingt, wie die Resozialisierung, die Veränderung des eigenen Denkens, Glaubens und Handelns.

  • AD
    Axel Dörken

    Es ist eine der asozialen Praktiken in Deutschland, die die Menschenrechte sträflich verletzt. Die Nichtintegration von so genannten Behinderten.

     

    Mit einer Integration von Schülern der Sonderschulen an die klassiche Schule kann im Wesentlichen zweierlei erreicht werden:

     

    1. Die Erkenntnis, dass wir alle behindert sind. Bei jenen, die als Behinderte bezeichnet werden, ist es lediglich deutlicher zu erkennen.

     

    2. Die Normalität verschiebt sich dahin, dass alles als normal anerkannt wird, da es zur Natur, bzw. zum Menschsein gehört.

     

    Selbstredend, dass wir hiefür eine Reform des Schulwesens an sich, wie auch eine Reform der Lehrerausbildung brauchen.

     

    Und, auch selbstredend, dass wir wesentlich mehr Tolleranz, mehr Offenheit und mehr Vertrauen des einzelnen Menschen brauchen.

     

    Sozialisierung bedingt, wie die Resozialisierung, die Veränderung des eigenen Denkens, Glaubens und Handelns.