Aktion gegen Plastik-Vermüllung: Plastikmüll kann tödlich sein
Von der Weser in die Nordsee: Der BUND startet eine Kampagne gegen die Vermüllung der Gewässer mit Plastik. Vorbild ist die Anti-Raucher-Kampagne
BREMEN | taz Säckeweise Plastikmüll haben Nadja Ziebarth und ihre MitstreiterInnen gesammelt – allein an dem einen Kilometer Weser-Böschung an der Lankenauer Insel fielen in einem Jahr 52 Säcke voll an. Zweimal die Woche war sie hingegangen und hat aufgelesen, was auf die Ufersteine gespült worden war. „Das ist natürlich nur ein kleiner Teil dessen, was an der Insel vorbei ins Meer fließt“, sagt die BUND-Mitarbeiterin. Und die Teile, die zwischen die Steine rutschen, sind auch nicht dabei.
Dabei sind es auch die ganz kleinen Teile, die für die Fische im Meer gefährlich werden können. In manchen Regionen der Weltmeere schwimmt inzwischen sechsmal mehr Plastik als Plankton, und es gibt Fische, die halten die kleinen Plastikteilchen für Plankton, fressen davon – bis der Magen voll ist. So können Fische auch mit vollem Magen verhungern. Über die Fische gelangt der Plastikmüll zurück in die Nahrungskette des Menschen.
An der Schlachte haben die Naturschützer gestern ihre Funde wie ein Kunstwerk aufgetürmt. Jede Menge Plastikbecher sind dabei,Tüten, einzelne Schuhe, Styropor, Plastikflaschen. „Da kann man studieren, was es beim letzten Grillfest alles gegeben hat“, sagt Nadja Ziebarth angewidert. „Das gehört sich einfach nicht“, urteilt der BUND-Bundesvorsitzende Hubert Weier, der für die Bremer Aktion an die Weser gekommen ist: Sowas sei eben kein Kavaliersdelikt und solle stärker gesellschaftlich diskriminiert werden.
Zahlen, die die Dimension des Problems verdeutlichen könnten, gibt es nur als Schätzungen – niemand hat zum Beispiel mit einem Fangnetz einmal konkret gemessen, wie viel Müll jeden Tag die Weser hinunterfließt. 200.000 Tonnen Plastikmüll landen jedes Jahr in der Nordsee, schätzt die BUND-Mitarbeiterin. Die Basstölpel auf Helgoland bauen sich ihre Nester inzwischen mit Plastikmüll. Damit strangulieren sich Jungtiere. 95 Prozent der tot an der Nordseeküste angeschwemmten Eissturmvögel haben Plastikteile im Magen. Bis zu 400 Jahre kann es dauern, bis Plastik sich im Meerwasser zersetzt hat.
Die EU hat im Juli 2012 eine „Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie“ (MSRL) beschlossen, in der der schöne Satz steht: „Eigenschaften und Mengen der Abfälle im Meer sollen keine schädlichen Auswirkungen auf Küste und Meeresumwelt haben.“ Die Bundesregierung hat beschlossen, dass bis zum Jahr 2020 der Müll-Eintrag auf die Hälfte reduziert werden soll. Der BUND will eigentlich nur, dass das ernst genommen wird. Dazu könne die Bundesregierung einiges tun, sagt der BUND-Vorsitzende Weiger: Wegwerf-Produkte müssten verteuert werden, man könne Einweg-Flaschen verbieten, wo Mehrweg-Flaschen möglich seien. Plastiktüten seien schon in Frankreich und Italien verboten, warum nicht auch in Deutschland? Vor allem aber setzt Weiger auf die „Kraft des gesellschaftlichen Bewusstseins“. „Wer hätte gedacht“, erklärte der Bayer gestern an der Bremer Schlachte, „dass man in bayerischen Bierzelten das Rauchen verbieten kann?“ Einen ähnlichen Bewusstseinswandel wünscht er sich für den Umgang mit Plastik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!