Afghanistans Loja Dschirga: Karsai wirbt für Abkommen mit USA
Kurz vor der Großen Ratsversammlung einigen sich die Regierungen Afghanistans und der USA auf ein Abkommen zur Stationierung von US-Truppen ab 2015.
BERLIN taz | Nur wenige Stunden bevor der afghanische Präsident Hamid Karsai am Donnerstag in Kabul die Große Ratsversammlung (Loja Dschirga) eröffnet hat, einigte er sich mit US-Außenminister John Kerry über die Stationierung von US-Truppen am Hindukusch ab 2015. Das bis zuletzt umtrittene bilaterale Stationierungsabkommen ist zentrales Thema der rund 2.500 Delgierten der Versammlung von Stammesältesten, Mullahs, Polikern und Vertretern der Zivilgesellschaft.
Kerry gab die Einigung am Mittwoch in Washington bekannt, nannte aber keine Details. „Wir haben uns auf die Formulierungen geeinigt, aber es ist jetzt Sache der Loja Dschirga, das Abkommen zu verabschieden,“ sagte Kerry.
Nach der auf vier Tage angesetzten Ratsversammlung, die offiziell nur beratenden Charakter hat, muss noch das afghanische Parlament über das Abkommen entscheiden. Danach muss es vom Präsidenten unterzeichnet werden.
Karsai unzufrieden über Verhältnis zu Washington
In seiner Eröffnungsrede vor den von ihm und seinem Umfeld hanverlesenen Delegierten warb Karsai für das Abkommen. Es werde für eine bessere, stabilere Zukunft Afghanistans benötigt. Laut Karsai werde es zur Stationierung von 10.000 bis 15.000 ausländischen Soldaten bis mindestens 2024 führen.
Doch zum Ende seiner mehr als einstündigen Rede sagte Karsai laut AP unerwartet, dass erst nach den Wahlen im April das Abkommen unterzeichnet werden sollen. Das wäre dann Aufgabe seines Nachfolgers, denn Karsai darf nicht wieder kandidieren. Die USA sind hingegen daran interessiert, möglichst schnell das Abkommen zu unterzeichen, über das bereits monatelang verhandelt wurde. Denn an dem Abkommen hängen viele logistische Fragen.
Zugleich drückte Karsai in seiner Rede ungewöhnlich deutlich seine Unzufriedenheit mit den USA aus. „Das Vertrauen zwischen mir und den USA ist nicht gut,“ sagte er. „Ich traue ihnen nicht, und sie trauen mir nicht.“ Er habe in den letzten zehn Jahren mit ihnen gekämpft, „und sie haben Propaganda gegen mich lanciert“.
Das afghanische Außenministerium veröffentlichte das Abkommen Mittwoch nacht in englisch auf seiner Webseite. Doch blieb unklar, ob das dort als Entwurf gekennzeichnete Dokument der finalen Version entspricht. Wenn dies der Fall wäre, hätten sich die USA in allen zentralen Streitpunkten durchgesetzt.
Denn dem Entwurf zurfolge unterlägen US-Soldaten in Afghanistan nur der US-Justiz und verpflichteten sich die USA nicht zwangsläufig wie von Kabul gewünscht zum militärischen Beistand im Falle des Angriffes eines anderen Landes auf Afghanistan. Und vor allem könnten US-Soldaten unter bestimmten Umständen sehr wohl nächtliche Razzien in afghanischen Privathäusern durchführen. Letzteres wird in Afghanistand stark abglehnt.
Karsai zitiert Brief Obamas
Karsai sagte, US-Präsident Barack Obama habe ihm schriftlich versichert, dass US-Soldaten nur „in sehr außergewöhnlichen Fällen“ in Wohnhäuse eindringen dürften, etwa wenn das Leben von US-Bürgern bedroht sein. Karsai zitierte den Delegierten während seiner Rede aus dem Brief.
Widersprüchlich sind amerikanische und afghanische Angaben über die Frage einer Entschuldigung für zivilive Opfer von Seiten der USA. Die afghanische Seite will diese von Obama verlangt haben. Doch laut Kerry sei darüber nie verhandelt und dies auch nie gefordert worden.
Der Entwurf nennt weder Zahlen über Truppenstärken noch über die US-Unterstützung für afghanische Sicherheitskräfte. Festgelegt werden aber neunStationierungsorte für US-Soldaten, darunter Kabul und Kandahar, sowie elf Flughäfen und Grenzübergänge zu ihrer Einreise. Die Amerikaner sollen hauptsächlich afghanische Militärs ausbilden, doch dürfen sie auch gegen mutmaßliche Terroristen vorgehen.
Von der Einigung mit den USA hängt auch die Stationierung anderer ausländischer Truppen wie der deutschen in Afghanistan ab, die nach dem Abzug der Nato-Kampftruppen Ende 2014 in reduziertem Umfang zu überwiegenden Beratungs- und Ausbildungszwecken verbleiben sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels