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Afghanistan-Sondergesandter Koenigs"Ich bin noch optimistisch"

Tom Koenigs, scheidender UN-Sondergesandte für Afghanistan, über seinen bevorstehenden Rückzug, die Lage des Landes und die Halbherzigkeiten der Europäer.

Die Amerikaner engagieren sich, die Europäer reden viel und tun wenig, findet Tom Koenigs. Bild: dpa

taz: Herr Koenigs, Sie haben diese Woche bekannt gegeben, Ihr Amt als UN-Sonderbeauftragter für Afghanistan zum Jahresende aufzugeben und das Land zu verlassen. Warum?

Bild: dpa

Der Grüne TOM KOENIGS, 63, ist UN-Sonderbeauftragter in Afghanistan. Zuvor war er für die UN im Kosovo und in Guatemala.

Tom Koenigs: Ich bin die ganze Zeit ohne meine Familie hier gewesen, was schwierig war. Ich habe aber auch noch ein Familienleben. Deswegen wollte ich wieder zurück.

Sie haben zu ihrer Motivation für den Posten des UN-Sondergesandten einmal gesagt, Afghanistan brauche besonders die Verbindung aus Verwaltungsexperten und Menschenrechtspolitikern. Gilt das jetzt nicht mehr?

Diese Verbindung braucht Afghanistan umso mehr, nachdem am Wochenende erstmals seit drei Jahren wieder Todesurteile vollstreckt wurden.

Ist Ihr Abschied auch ein Protest gegen den Todesstrafenvollzug?

Nein, ich habe unserem Generalsekretär bereits vor drei Wochen meine Entscheidung mitgeteilt. Aber ich verstehe die Haltung der Karsai-Regierung nicht. Die Todesstrafe hat im 21. Jahrhundert nichts mehr zu suchen. Nur sehr traditionelle Kräfte sowohl in den USA als auch in Afghanistan sehen das anders. Die afghanischen Traditionalisten haben wohl entsprechenden Druck gemacht.

Hat Ihre Entscheidung auch mit Plänen zu tun, für Afghanistan eine Art internationalen Superkoordinator wie in Bosnien zu installieren?

Über diese Frage ist noch nicht entschieden, und mein Abschied hat nichts damit zu tun. Es gibt auch in Darfur mehrere Sondergesandte, die gut zusammenarbeiten.

Sie befürworten das also?

Nicht unbedingt. Das hat nur Sinn, wenn es ein sehr spezifisches Mandat gibt. Dafür sehe ich keine Erfolgschancen. Natürlich muss man sich stärker auch um die umliegenden Staaten kümmern und darum, dass die Europäer mehr für Afghanistan tun. Auch muss die zivile und die militärische Strategie besser zwischen New York, Brüssel und Washington abgestimmt werden. Dazu kann zurzeit auch ein "Superman" wenig beitragen.

Die Lage in Afghanistan scheint immer aussichtsloser. Es gibt neue Gewaltrekorde, neue Rekorde im Drogenanbau, der Wiederaufbau verläuft schleppend. Ist Ihre Entscheidung auch eine Kapitulation vor dieser Situation?

Nein. Die Anforderungen sind hoch, aber sie sind zu bewältigen. Ich bin immer noch optimistisch. Doch es sind immer wieder die Amerikaner, die sich überproportional engagieren. Wenn die Europäer sagen: "Wir wollen Afghanistan stärker in unserem Sinne beeinflussen" und sich dann nicht finanziell und militärisch stärker beteiligen, dann sind das hohle Worte.

Wo zeigt sich diese Lücke zwischen Lippenbekenntnis und Realität am deutlichsten?

Bei der Polizeiausbildung. Alle sind sich einig, dass bei Ausbildung und Ausrüstung viel mehr getan werden muss. Die Europäer haben jetzt zu den 40 deutschen Ausbildern weitere 120 versprochen. Die Amerikaner haben 700 Mentoren. Gebraucht werden aber 2.000 weitere.

Es ist aber doch nicht hilfreich, Schießkurse für Analphabeten zu machen, wie es die Amerikaner tun?

Ich verkenne die Schwierigkeiten nicht, aber es ist auch eine Frage der Quantität. In diesem Jahr sind im Süden 1.000 Polizisten umgekommen, und zwar auch, weil sie schlecht ausgebildet und ausgestattet waren. Wenn Europa - zu Recht - beansprucht, dem Zivilen müsse mehr Augenmerk zukommen, muss es sich einfach mehr engagieren. Nach Kosovo hat man bei einem Zehntel der Bevölkerung und Fläche 4.800 internationale Polizisten geschickt.

Warum scheut man diesen Aufwand in Afghanistan?

Vielleicht hat man das Versprechen, die junge Demokratie zu schützen, nur halbherzig gegeben. Außerdem hat niemand geglaubt, dass die Taliban sich derart regenerieren können. Es wurde zu lange auf Kabul und den Norden geblickt. Man hätte - auch mit den Wahlen - in Dörfern und Distrikten beginnen müssen. Das hätte Legitimation in Dörfern geschaffen, wo jetzt die Taliban das Sagen haben.

Sie haben sich wiederholt für Gespräche mit den Taliban ausgesprochen. Wollen die Taliban überhaupt mit der afghanischen Regierung verhandeln?

Wer Frieden will, muss das Gespräch dem Waffengang vorziehen. Die Taliban sind keine homogene Gruppe, es gibt immer gesprächsbereite Teile. Karsai muss diese Verhandlungen weiter anbieten, auch wenn sie nicht gleich morgen stattfinden.

Am Freitag steht die Verlängerung des Mandats für Isaf und die Tornados im Bundestag an. Kritiker sagen, dem sei nicht zuzustimmen, weil die Tornados auch für OEF eingesetzt werden. Ist diese Argumentation nachvollziehbar?

Aus afghanischer Sicht überhaupt nicht. Isaf und OEF brauchen eine gute Aufklärung. Und so zu tun, als wären wir nicht dabei, hieße, die Augen vor der Realität zu verschließen.

Den deutschen Soldaten ist vorgeworfen worden, sich in die Kasernen zurückzuziehen und zu wenig gegen Drogenkriminalität zu tun.

Die Polizei muss so aktiv unterstützt werden, wie es irgend geht, auch wenn es gefährlich wird. Das gibt das Mandat für die Bundeswehr her. Zu sagen, an die Drogenfelder und -labore gehen wir nicht ran, halte ich für falsch.

INTERVIEW: ANETT KELLER

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1 Kommentar

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  • DK
    Dr. Karim Gharwal

    "Ich bin noch optimistisch"

     

    Es ist klingt angenehm, wenn der scheidende UN-Sondergesandte Herr T. König sich optimistisch zeigtt. Jene Leute, die das afghanische Volk gut kennt und dessen Liebe zum Land und Traditionen durchschaut haben, dann ist sehr wenig, im Fall Afghanistan optimistisch zu sein.

    EU und ins besonderen USA haben am Beginn unverzeihliche Fehler gemacht.

    1. USA hat den verstorbenen Ex-König hoch gehoben und als der Einheit der verschiedenen ethnischen Gruppen fixiert, als USA sich dem Ziel nahe sah, zeigten sie gegenüber dem Ex-König kalten Schulter, sogar wurde ihm in Rom durch den Herrn Zalmay Khalilzad unmissverständlich klar und unmissverständlich nahe gelegt, dass er auf keinen Fall als Figur der Einheit des Volkes in Erscheinung auftreten darf und er darf keine Erklärungen in diese Richtung abgeben und er soll nur das befolgen, was von ihm verlangt, falls er interessiert ist, nach Afghanistan zurückzukehren, also er hat VERBOT bekommen.

    Das Volk hat dem Ex-König sein Verhalten sehr übel genommen und der Beginn des Prozesses mit skeptisch verfolgt, weil das Volk von damaligen Mujahiddin Gruppen während ihrer Herrschaft(von 1992 bis 1996) bittere Enttäuschungen noch immer in Erinnerungen gehabt, d.h. während deren Zeit unzählige unschuldigen Menschen umgebracht, geplündert, an Frauen vergriffen und Kabul vollig zerstört.

    2. Herr Zalmay Khalilzad hat mit Unterstützung des Ex-Außenminister Herrn J. Fischer zwischen den Mujahiddin Gruppen als Opposition und von Washington selektierten Personen unter der Leitung vom Herrn H. Karzai Allianz gebildet, der im Volk eine unbekannte Nummer war und man hat sie im Jahre 2001 in Bonn international legitimiert.

    3. USA Streitskräfte hat mit arroganten Manieren und ohne vorheriger Pläne flächen-deckende Bombardierungen gestartet.

    4. Während der 6Jahren hat das Volk von ISAF, NATO und USA Außer wahllose Bombardierungen, wilde Hausdurchsuchungen, Zerstörungen und willkürlich Gefangennahmen und Folterungen sonst nicht erlebt.

    4. Geldgeber Länder stellte Finanzierungen zum Wiederaufbau des Landes zu Verfügung, aber ohne transparente Kontrollen.

    Die Machthaber sind mit diesen Gelder so umgegangen, als ob diese Gelder denen gehört hätten, also sie starteten diese Gelder unter sich aufzuteilen und es begann Korruptionen und Vetternwirtschaft mit großem Enthusiasmus noch dazu, anscheinend naschte die ausländischen Mitarbeiter mit, weil Geldgeberländer einfach diese fatale Situationen zuschaute.

    5. Es startete sinnlose Konferenzen eine nach der anderen, aber in der Sache haben solche Konferenzen keine Wirkung gezeigt.

    6. Über all in Großstädten ins besonderen in Kabul tauchten Villen, große Häusern, Hotels, Private - Firmen, nach kürzer Zeit wussten alle, wem dies Eigentümer gehören.

    7. Schwarze Geschäften starteten, in denen alle diesen Leuten verwickelt sind. Sogar haben sie sich die Aufträgen der Straßenbau, Schulen und sonstige Bauobjekte ergattert und betrügerisch sind sie beim Bauen vorgegangen, z.b. Strassen waren nach einigen Monaten wieder im Altenzustand.

    8. Wegen diesen Mafiamethoden sind die Preisen in allen Richtungen hoch geklettert und alles ist mit Dollar zu zahlen.

    Normale Beamten und Handwerker und sonstige müssen mit 50.- USD im Monat auskommen, Zwangprostituierung und Zwangverkauf der Kinder sind am laufenden Band, es ist im Umlauf, dass die Frau vom Finanzminister mit Busen junge Frauen an ISAF, NATO und USA Soldaten vermitteln.

     

    Nun fragt man den Herrn König ( er gehört zu der Grünen) , woher seine optimistischen Einstellungen kommen???

     

    Man darf nicht die Wahrheit vertuschen, ins besonderen jene Leute, die UN vertreten.

    Herr Karzai war von USA zurück, er hat mit großer Aufmachung bekannt gegeben, dass er mit Mullah Omar und Mullah Gulbuddin treffen will, er geht ja sogar zu denen, wenn sie ihm ihre Adresse bekannt geben.

    Einige Tagen später macht sein Büro bekannt, wir verhandeln mit jenen, die nicht auf der schwarzen Liste der USA stehen, es ist alles durcheinander. Man sieht, dass EU und USA das afghanische Volk betrogen haben und sie haben vor den Nasen des Volkes Kriminellen, Mörder und von Außen selektierten Personen hingesetzt, die nicht nur Dieben und Plünderer sind, sie sind auch unqualifiziert und unfähig.

    Man hat wegen denen künstliche Wahlen organisiert und sie via Medien als demokratische Wahlen präsentiert und poropagiert.

    Diese Leute haben sich im Parlament von eigenen Verfolgung frei gesprochen, wo gibt es so was???????

    Nun wurde im Parlament Allianz der Nation gegründet, wo diese genannten und Kommunisten als Mitglieder sind.

    Herr König weißt genau, was für hinterhältige Akzenten diese Gruppe setzt!

     

    Eine couragierte junge Frau Malalai Joya hat den Mut gehabt, die Taten dieser Leuten Offen auszusprechen, sie wurde durch diese Leuten aus Parlament herausgeschmissen, d.h. sie haben diese Frau durch ihre Abstimmung im Parlament suspendiert, nun sieht man was für eine Demokratie in Afghanistan existiert und Herr König soll ernsthaft nachdenken, warum er so leichtfertig seine optimistische Haltung so großzügig zum Ausdruck bringen kann?