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Afghanistan-Experte über abgesagte Stichwahl"Karsai ist nicht demokratisch legitimiert"

Mit dem Ausgang der Präsidentenwahl hat sich die internationale Gemeinschaft blamiert, meint der Afghanistan-Experte Conrad Schetter.

"Karsai hat sehr aus einer Position der Stärke heraus agiert", sagt Conrad Schetter. Bild: dpa
Sven Hansen
Interview von Sven Hansen

taz: Herr Schetter, was bedeutet es, dass Hamid Karsai zum Wahlsieger erklärt wurde, für dessen Legitimation?

Conrad Schetter: Karsai verfügt kaum noch über eine Legitimation im Lande. Denn er ist bei eine Wahl gewählt worden, die vor Fälschungen nur so strotzte. Die Bevölkerung wie die internationale Gemeinschaft haben kaum noch Vertrauen in ihn. Man muss ihm eine demokratische Legitimation als Präsident absprechen.

Karsai hat sich geweigert, seinem Widersacher Abdullah Abdullah entgegenzukommen und den allzu parteiischen Chef der Wahlkommission zu entlassen. Hat damit Karsais Frechheit gesiegt?

Karsai hat sehr aus einer Position der Stärke heraus agiert. Abdullah spielte ein doppeltes Spiel: Einerseits führte er Verhandlungen mit Karsai, um einen Posten in der Regierung zu erhalten; andererseits stellt er für die Stichwahl Karsai die Forderung, den Chef der Wahlkommission zu entlassen. Damit pokerte er zu hoch. So konnte Karsai gelassen abwarten, bis sich Abdullah selbst aus der Wahl verabschiedete.

Wie stehen jetzt der Westen und besonders die USA nach der Absage des zweiten Wahlgangs da? Immerhin hatten sie diesen ja erst gegen Karsais heftigen Widerstand durchgesetzt.

Die internationale Gemeinschaft ist in der jetzigen Situation so blamiert wie alle afghanischen Akteure. Auf der einen Seite wurde massiver Druck auf Karsai ausgeübt, damit dieser zweite Wahlgang stattfindet, auf der anderen Seite ist zu fragen, was noch viel problematischer ist, ob nicht das ganze demokratische Projekt in Afghanistan gescheitert ist.

Was ist Ihre Antwort?

Die internationale Gemeinschaft hat viel zu lange vor den Wahlfälschungen beide Augen zugedrückt, auch schon bei den Wahlen vor fünf Jahren. Man hat die Warnsignale nicht erkannt. Man muss auch aus Afghanistan lernen, dass Wahlen nur sinnvoll abgehalten werden können, wenn die Regierung sowohl ein gewisses Gewaltmonopol hat als auch die Neutralität des Wahlprozesses garantieren kann.

Die Bedingungen für erfolgreiche Demokratisierung waren gar nicht vorhanden?

Vor fünf Jahren vielleicht noch, jetzt nicht mehr. Die internationale Gemeinschaft hätte, wenn sie es mit Demokratie ernst gemeint hätte, stärker darauf achten müssen, dass die Wahlen nach internationalen Standards ablaufen - also Wahlbeobachter auch auf dem Land, Ausschluss von Kriegsverbrechern, Aufklärung der Wähler, Monitoring der Abläufe.

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3 Kommentare

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  • D
    ddd

    iss ja alles schon richtig..

     

    aber vergessen wir dabei nicht das wir mehr oder weniger die strippenzieher dort sind.. ohne unsere interessen gäbe es dort garantiert ein anderes wahlergebniss.

  • M
    Martin

    Dank an Herrn Schettler für einige deutliche Worte. Karsai ist genauso blamiert wie 'der Westen'. Hoffentlich haben wir jetzt nicht mehr die verlogene Argumentation, dass die Bundeswehr in Afghanistan tätig ist, um dort eine Demokratie aufzubauen oder zu verteidigen. Erstens waren sie bei den Wahlen sowieso nicht tätig und zweitens scheint man unter diesem Stichwort von Seiten des 'Westens' nur die Präsentation von Marionetten der USA und der Nato zu verstehen, so urteilt zumindest die Financial Times Deutschland in Ihrem heutigen Artikel: 'Marionette auf Abwegen'. Eine Lektüre ist jedem dringend empfohlen, der zu dem Thema auch einige Wahrheiten vertragen kann http://www.ftd.de/politik/international/:hamid-karsai-afghanische-marionette-auf-abwegen/50031405.html

  • K
    Küstenstelze

    Ja, leider hat Herr Schetter es richtig ausgedrückt: "...das ganze demokratische Projekt in Afghanistan ist gescheitert."

    Hier zeigt sich nicht nur die Hilflosigkeit der internationalen Gemeinschaft, sondern auch die mangelhafte Aufklärung aller Beteiligten über die politische Vergangenheit des Landes. Sie haben davon geträumt, aus dem Land eine Demokratie zu machen.

    Was muss noch geschehen? Weder das afghanische Volk noch die dortigen "Politiker" wollen und können unser Verständnis von Demokratie nachvollziehen. Wie denn auch? Zwei, drei Generationen haben nichts weiter als Bürgerkrieg und Krieg kennen gelernt und sollen nun Regeln verinnerlichen, die ihnen ein angenehmes und würdiges Leben versprechen, wobei ihnen gleichzeitig die Sprengsätze der eigenen Landsleute und die Bomben der "Freunde" um die Ohren fliegen? Das ist ein Hohn und zugleich ein Zynismus, der aus dieser unbedarften Forderung spricht.

    Weder die Aufstockung der Truppen noch der zivilen Helfer sind die Rettung. Es scheint immer wieder das Los von Teilen der Weltbevölkerung zu sein, mitsamt seiner Kultur, wie sie auch in Afghanistan vorhanden ist, unterzugehen. Die Dummheit der Menschen nimmt kein Ende oder - anders gesagt - es scheint immer mehr darauf hin zu deuten, dass dem homo sapiens - weltgeschichtlich gesehen - nur eine kurze Zeit des Überlebens zugedacht ist. Für die jeweils Betroffenen etwas, was sie als ungerecht empfinden, das aber offensichtlich in der Evolutionsgeschichte keinen anderen Stellenwert haben kann. Und das meine ich ohne jeden Zynismus.