Affäre im Verteidigungsministerium: Eine Rechnung über drei Millionen
Noch immer versucht sich der Untersuchungsausschuss in der Aufklärung dubioser Auftragsvergaben. Für Donnerstag sind zwei zentrale Zeugen geladen.
Die beiden werden unangenehme Fragen über sich ergehen lassen müssen, die Befragung wird dem Vernehmen nach intensiv. Bühler und Noetzel sind eng befreundet, Bühler ist Taufpate von Noetzels Kindern. Es steht der Verdacht im Raum, dass auf Grund ihrer Freundschaft Millionenaufträge vergeben wurden.
Soweit bekannt, begann alles im Jahr 2016 mit einem externen Mitarbeiter der hauseigenen IT-Firma der Bundeswehr, der BWI. Dieser war laut Aussage eines Zeugen aus dem Bundesrechnungshof mit seiner Situation unzufrieden und suchte nach einer Veränderung. Seine Lebensgefährtin arbeitete damals im Beschaffungswesen des Bundes und wies ihn auf einen neuen Rahmenvertrag zur IT-Dienstleistung hin – den RV 20237.
Dass die Bundeswehr digitaler werden muss, war im Sommer 2017 allen klar. Die gebeutelte Truppe kam einfach nicht aus den Schlagzeilen. Timo Noetzel, Manager der Firma Accenture und Freund General Erhard Bühlers, bahnte vermutlich über persönliche Bekanntschaften ein millionenschweres Pilotprojekt an: Der Militärtransporter A400M sollte ein modernes Ersatzteilmanagement bekommen.
Erste Gespräche im Sommer 2017
Bereits wenige Wochen später gab es erste Gespräche zwischen Ministerialen und Accenture-Vertretern. Im September 2017 fanden Tischgespräche statt, bei denen nicht nur die damalige Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder anwesend war, sondern teils auch mehrere Vertreter von Accenture.
Es war Suders hartnäckige Weigerung, im Dezember 2018 vor dem Verteidigungsausschuss zu erscheinen, der im Februar 2019 letztlich zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses führte. Dort kann sie vorgeladen werden. Ziel ist es herauszufinden, in wie weit die politische Führung des Verteidigungsministeriums persönliche Bekannte oder Firmen begünstigte. Früh war klar, dass es ein zäher Prozess werden würde: Die Opposition will schnell vorankommen, die Regierungskoalition offenbar Zeit schinden.
Dass Accenture den Auftrag bekommen soll, darüber war man sich anscheinend in der Führung des Bundesverteidigungsministeriums einig. Lediglich die Finanzierung war fraglich. Da solche Summen nicht einfach frei vergeben werden können, musste ein Vehikel her. Nach einigem Suchen stieß man auf den Rahmenvertrag 20237.
Katrin Suder entschied sich für die Umsetzung
Allerdings hielt diesen Vertrag eine bundesweit agierende hessische Firma, die sich ihre Risiken mit 100 Euro pro durchgeleitetem Beratertag bezahlen ließ. „Alles spricht dafür, dass die Firma als Strohmann genutzt werden sollte, da man anders nicht mit Accenture kontrahieren konnte“, sagt der SPD-Abgeordnete Dennis Rohde, Sprecher seiner Fraktion im Untersuchungsausschuss.
Accenture arbeitete bereits im Oktober 2017, das Ministerium hingegen hatte noch mit der Vergabeprüfung zu kämpfen und es konnte noch kein Steuergeld fließen. Erst nachdem am 1. Dezember 2017 ein ministerialer Erlass herabgereicht wurde, konnte nach intensiven Bemühungen am 21. Dezember ein formaler Auftrag ergehen. Katrin Suder hatte entscheiden, dass das Projekt umgesetzt werden soll.
Mehrere Beamte sagten aus, die Leitung des Verteidigungsministeriums habe einen „Wunschkandidaten“ kommuniziert: Accenture. Die Staatsdiener prüften nicht mehr, ob Accenture den Auftrag bekommen kann – sondern lediglich, wie. Stellen, die hätten prüfen müssen, prüften nicht. Sie verließen sich darauf, dass andere bereits geprüft haben, da ihnen vermittelt wurde, wer den Auftrag bekommen soll. Die formalen Beauftragungen sollten ungewöhnlich schnell erfolgen. Mitarbeiter berichten von enormen Druck aus dem Ministerium und dem schlimmsten Monat ihrer Karriere.
Als die Berateraffäre 2018 bereits durch einen Bericht des Bundesrechnungshofes bekannt geworden war, stoppte der Bund die Zahlungen. Accenture stellte schlussendlich eine letzte Rechnung in Höhe von ca. 3 Millionen Euro – ohne Umweg über den Rahmenvertrag 20237.
Tobias Lindner, Bundestagsabgeordneter der Grünen
Indes sorgte sich General Bühler um die Mitarbeiter des Beratungskonzerns. Das geht aus einer Mail der Unterabteilungsleiterin im Bereich Planung an die Geschäftsführerin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr hervor: „Diese Firma setzt ihre Berater auf die Straße, wenn nicht ein Signal kommt, dass sie die Arbeit nicht als Verlust abzuschreiben hat.“ Der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Müller, Obmann im Verteidigungsausschuss, nannte dies „Quatsch, da die Firma einen Umsatz in Höhe des Verteidigungsetats und weltweit 450.000 Mitarbeiter hat“.
Der zähe Kampf zwischen Parlamentariern und Regierung ist im Untersuchungsausschuss in vollem Gange. Die kriselnde SPD hat ein engagiertes Team aus Haushältern und Verteidigungspolitikerinnen geschickt, die sich mit ihrer Arbeit klar hervortun. Mittlerweile zeigt sogar die Union Zähne.
Allerdings werden die Aussagen des damaligen internen Ermittlers des Verteidigungsministeriums, Andreas Conradi, immer rätselhafter: Aussagen anderer Zeugen decken sich nicht mit seinen, die Opposition fordert, ihn aus den Sitzungen des Gremiums auszuschließen. Doch er wird wohl bis zum Ende für die Bundesregierung teilnehmen.
Auch die Beraterfirmen nehmen den Ausschuss ernst, sie entsenden eigens Beobachter. „Offenbar untersuchen wir keine Lappalien“, kommentierte der Grüne-Abgeordnete Tobias Lindner.
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