AfD in den Bezirken: Rechte schüren Zwist in Neukölln
Der AfD-Kandidat fällt bei der Bezirksamtswahl durch, die CDU ärgert sich über Zählgemeinschaft und Linke – und verhindert Änderung der Tagesordnung.
Nun hat es die AfD auch in Neukölln geschafft. Wie in anderen Bezirken streiten sich die Parteien über den Umgang mit den Rechtspopulisten. Eigentlich hatte Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) angekündigt, die Partei inhaltlich stellen zu wollen – was als Ankündigung verstanden werden konnte, einen AfDler als Stadtrat zu akzeptieren. Dennoch fiel deren Kandidat Bernward Eberenz am Mittwochabend zwei Mal durch.
Im ersten Wahlgang bekam er 35 Nein-, 10 Ja-Stimmen und 7 Enthaltungen. Im zweiten stimmten 35 gegen und 17 für ihn. Die AfD ist mit sieben Mitgliedern in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Auf Antrag der Grünen wurde die Wahl auf die nächste Sitzung Ende Januar vertagt.
Den CDU-Fraktionsvorsitzenden Gerrit Kringel ärgert das. Es sei mit der rot-grünen Zählgemeinschaft abgesprochen gewesen, dass man sich bei der Wahl enthält, so dass die AfD mit ihren Stimmen den Kandidaten durchbringen kann, sagte er der taz. „So aber macht man sie zum Märtyrer.“ Sein Pendant von der SPD, Martin Hikel, erwidert, man habe ein „politisches Signal“ setzen wollen, dass die Wahl eines AfDlers nicht selbstverständlich sei, „weil wir dessen demokratische Grundwerte mehr als in Frage stellen“. Wie sich seine Fraktion in der nächsten Sitzung verhalte, könne er noch nicht sagen. Thomas Licher, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, kann das: Er kündigt gegenüber der taz an, seine Fraktion werde weiterhin „geschlossen gegen jeden AfD-Kandidaten“ stimmen.
Schon vorher hatte die AfD bei den anderen BVVlern für Ärger gesorgt. Aufgrund ihres Antrags musste über die ebenfalls anstehende Wahl von 72 Bürgerdeputierten und deren Vertretern einzeln abgestimmt werden – was mehr als eine Stunde kostete. „Das ist absolut unüblich und eine Sabotage der kommunalpolitischen Arbeit, wenn man die Geschäftsordnung derart missbraucht“, schimpft Licher.
Nach der Wahl vom 18. September hat die AfD in sieben Bezirken das Recht auf einen Stadtratsposten. Bislang hat sie ihre Kandidaten in Treptow-Köpenick, Reinickendorf, Marzahn-Hellersdorf und Spandau durchbringen können.
Noch nicht gewählt sind die AfD-Kandidaten in Neukölln, Lichtenberg und Pankow. In letzterem Bezirk setzen die Linken darauf, dass nach weiteren missglückten Wahlgängen die Bezirksaufsicht des Senats der AfD das Vorschlagsrecht entzieht und eine andere Partei zum Zuge kommt. (sum)
„Retourkutsche“ rechts gegen links
Kringel von der CDU fand dies zwar auch lästig, hat jedoch ein gewisses Verständnis. Der Antrag auf Einzelabstimmung sei eine „Retourkutsche“ der AfD gegen die Linke gewesen. Nach seiner Darstellung war die AfD zurecht empört, dass – offenbar aufgrund eines Versehens – ein Entschließungsantrag der Linken mit in die Sitzungsunterlagen gelangt war, der unter der Überschrift „Neukölln sagt Nein zu Rassismus“ direkt gegen die AfD gerichtet war. „Die Linke gibt der Rechten, die Rechte der Linken. Das ist ärgerlich, so kommen wir nicht zur Arbeit“, so der CDUler.
Auch Licher sagt, dass der Antrag „zugegebenermaßen sehr scharf“ formuliert war – weshalb er ihn auch zurückgezogen habe. Letztlich habe die BVV einer von SPD und Grünen entschärften Fassung zugestimmt, sogar auch ein paar AfDler.
Keine Abstimmung über Gedenkort für Burak
Gegen 22 Uhr lief die Sitzung dann offenbar ganz aus dem Ruder. Wegen der fortgeschrittenen Zeit wollten Rot-Grün und die Linken die Tagesordnung ändern, um noch zwei Anträge durchzubringen. In einem ging es um die Errichtung eines Gedenkorts für den ermordeten Neuköllner Burak Bektaș, im zweiten darum, dass Flüchtlinge schnell aus Turnhallen in bessere Unterkünfte kommen sollen.
Doch dies scheiterte, weil Vertreter von FDP, AfD und CDU so lange redeten, bis die Uhr 22:30 zeigte – dann endet eine BVV-Sitzung automatisch. Vor allem CDU-Mann Kringel habe lange und „bemerkenswert unsachlich“ geredet, ärgert sich Licher. „Das war Filibustern“, sagt er in Anspielung auf die im US-Kongress gängige Praxis der Minderheitsfraktion, Abstimmungen über unliebsame Gesetzesvorhaben durch endloses Reden zu verzögern. Die CDU habe sich damit „zum Handlanger der AfD gemacht“.
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