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AfD-VerbotsverfahrenPose trifft Realität

Die SPD stimmt im Abgeordnetenhaus gegen einen Antrag zur Einleitung eines AfD-Verbots. Dabei signalisiert die Partei ansonsten ihre Unterstützung.

Auch auf Bundesebene gibt sich die SPD entschlossen: Lars Klingbeil mit „AfD-Verbot prüfen!“-Schild Foto: IMAGO/IPON

Aus Berlin

Anselm Mathieu

Die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus war bereits zwei Mal mit einem AfD-Verbotsantrag von Linken und Grünen konfrontiert – und hat beide Male mit CDU und AfD dagegen gestimmt. Am vergangenen Mittwoch geschah das im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, nachdem der Antrag bereits Ende Juni im Ausschuss für Verfassungsschutz mithilfe der Stimmen der So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen abgelehnt wurde.

Wie das nd bereits berichtete, fiel am vergangenen Mittwoch der Kontrast zwischen Auftreten und Abstimmverhalten der SPD besonders ins Auge: Mit „AfD-Verbot Jetzt“-Sticker am Laptop hob der stellvertretende Landesvorsitzende Mathias Schulz die Hand, um mit seiner Fraktion gegen das Anliegen von Linken und Grünen zu stimmen.

Der Antrag „Jetzt ein AfD-Verbotsverfahren einleiten!“ vom 13. Mai 2025 fordert den schwarz-roten Senat auf, sich im Bundesrat sowie in Gesprächen mit der Bundesregierung für ein AfD-Verbotsverfahren einzusetzen. Ein Ziel, das eigentlich auch die SPD-Berlin verfolgt, wenn man ihren eigenen Verkündungen glauben will.

Im Mai dieses Jahres erst sprach sich die Berliner Parteispitze für ein solches Verbot aus: „Der Bundesverfassungsschutz hat eindrücklich und ausführlich dargelegt, dass die AfD nach weiteren Etappen der Radikalisierung bundesweit als gesichert rechtsextrem einzustufen ist“, teilte SPD-Landeschefin Nicola Böcker-Giannini damals mit. „Die Initiierung eines Parteiverbotsverfahrens ist daher der letzte Schritt einer immer weitergehenden Radikalisierung der AfD“, äußerte sich etwas vorsichtiger ihr Co-Vorsitzender Martin Hikel.

Koalitionsdisziplin verhindert SPD-Ambitionen

Auch Schulz redet im Gespräch mit der taz am Dienstag von „Einigkeit“, die seine Partei in der Frage habe. Die SPD sei „sehr klar für ein solches Verfahren“. Das Problem: Die Koalitionsdisziplin mit der CDU. Es sei nun mal festgelegt, in der Koalition nicht unterschiedlich abzustimmen. Auf Seite 132 des schwarz-roten Bündnisvertrags heißt es unter der Kapitelüberschrift „Gutes Regieren“ ausdrücklich: „Koalitionspartner stimmen im Abgeordnetenhaus einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand dieser Vereinbarung sind.“

Gleichzeitig sei die Folge dieser Absprache aber auch für Schulz nur „schwer erträglich“. Mit der CDU gebe es deshalb fortdauernde Gespräche, um ein Zusammenwirken „aller demokratischer Fraktionen“ in der Frage zu erreichen.

Selbst bei Linken und Grünen hält sich die Kritik in Grenzen: „Ich verstehe die Koalitionszwänge, denen die SPD ausgesetzt ist“, sagt Ario Mirzaie, Sprecher für Strategien gegen Rechts der Grünen-Fraktion. Von der Linken-Fraktion hört man ähnliches. Mirzaie sagt, er sei „der festen Überzeugung“, dass die SPD sich mit den Grünen einig sei, was die Notwendigkeit eines AfD-Verbots angeht. „Ich unterstütze die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion gerne weiterhin dabei, die Berliner CDU für ein Verbotsverfahren zu gewinnen“, so Mirzaie.

Mit der Ablehnung des Antrags in den Ausschüssen ist es jedenfalls noch nicht getan, die Abstimmung im Plenum steht noch aus. Dort wird die SPD aller Aussicht nach wieder dagegen stimmen – und wieder den Widerspruch zwischen couragierter Pose und ihrem zahmen Stimmverhalten aushalten müssen.

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