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"Die Indizien für die Verfassungswidrigkeit der AfD sind massiv"
Das mag schon stimmen, die Frage ist nur verfolgt die AfD ihre Absichten auch in "kämpferisch-agressiver" Weise. Dieser Ausdruck, gerade erst auch vom Bundeskanzler als Begründung für seine Ablehnung eines Verbotsantrags vorgebracht, entstammt aus dem Urteil des BVerfG zum KPD Verbot von 1956 und bedeutet nichts anderes als "planvoll".
Wenn das BVerfG zu den Voraussetzungen eines Parteienverbots also anmerkt ".. genügt alleine die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht. Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt", so ist damit ein systematisches Vorgehen gemeint. Das der Gesamtpartei nachzuweisen dürfte derzeit schwierig sein.
Der taz Autor Christian Rath hat daher mit seinem Ansatz auf handfeste Anlässe zu warten bei denen die AfD die Grundordnung nachweisbar beeinträchtigt, wahrscheinlich den richtigen Weg aufgezeigt, zumal dann auch ein Eilverfahren möglich wäre, anstelle einer Verfahrensdauer von 3-4 Jahren bei einem regulären Verfahren mit allen negativen Begleiterscheinungen
@Sam Spade "Der taz Autor Christian Rath hat daher mit seinem Ansatz auf handfeste Anlässe zu warten, bei denen die AfD die Grundordnung nachweisbar beeinträchtigt",
Wie soll das gehen? Sobald die afd die Grundordnung, d.h. wohl das Grundgesetz beeinträchtigt, kann man dann noch auf eine funktionierende Justiz hoffen?
Diese Hoffnung ist jedenfalls sehr gewagt, im schlimmsten Falle gibt es dann keine unabhängige Justiz mehr...., zumal die Diskussionen um ein Verbot dann genauso geführt werden dürften, wie jetzt auch. Weil vielleicht ist ja alles gar nicht so eindeutig und eigentlich....
Wenn ein Auto auf eine Wand zufährt, darauf zu warten, bis der Aufprall kommt, nur um genug Beweise zu haben, dass bremsen richtig gewesen wäre, weil vielleicht ... ein bisschen vorausschauende Kombination muß schon sein, um überhaupt auf Gefahren reagieren zu können. Dass das immer auch mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist, lässt sich nicht vermeiden.
@Sam Spade Das hieße also, der AfD würde es weiterhin genügen, den Bürgern etwas vorzuspielen, um, sobald entsprechende Mehrheiten vorhanden sind, ihr wahres Gesicht zu zeigen?
Ich hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht auf so etwas nicht hereinfällt, fürchte aber, dass den Juristen - wieder einmal - der Mut fehlt, sich eindeutig als Retter der Demokratie und des Rechtsstaates zu outen. Man kann schließlich als Gericht die Hürden der Beweisführung so hoch hängen, dass es de facto unmöglich ist, etwas zu beweisen.
Und nur zur Erinnerung: Die KPD war 1956 nicht verfassungsfeindlicher unterwegs als die AfD heute.
@Aurego Die kämpferisch-agressive Haltung und die Abschaffung der demokratischen Grundordnung bei der KPD hat das BVerfG in seinem Urteil 1956 u.a. aus der Historie abgeleitet und hat sich dabei sehr weit hinein in die Vergangenheit begeben.
@Sam Spade ... was uns zu der Vermutung verleitet, dass das Urteil heute auch anders ausfallen könnte. Würdigt und bewertet man die damaligen Kriterien, könnte ein AfD-Verbot jedoch genauso zwingend sein wie das damalige KPD-Verbot.
Das Gedenken zum 7. Oktober an Hamburger Schulen sorgte für Kontroversen. Eine Lehrerin schildert ihre Erfahrung dazu.
AfD-Verbot: Leichtfertiges Abmoderieren
Ja, es gibt gute Gründe gegen ein AfD-Verbot. Aber angesichts der realen Gefahr für die Demokratie sollte man die Pro-Argumente ernst nehmen.
Aufforderung bei der Demonstration im Februar 2024 Foto: Stefan Boness
Natürlich gibt es Gründe, gegen ein AfD-Verbotsverfahren zu sein. Wenn man aus fundamentaldemokratischer Sicht Parteienverbote generell ablehnt etwa. Oder Politik und Ziele der AfD zwar vielleicht für falsch hält, aber nicht für eine wirkliche Gefahr für die Demokratie.
Wer diese Gefahr aber sieht, muss die Möglichkeit eines Verbotsverfahrens ernsthafter diskutieren, als dies derzeit geschieht. Es ist erschreckend, mit welch lapidaren Argumenten Spitzenpolitiker*innen versuchen, den parteiübergreifenden Vorstoß von rund 50 Abgeordneten für ein solches Verfahren vom Tisch zu wischen.
Die Demokratie in der Bundesrepublik steht derzeit so unter Druck wie vielleicht noch nie in ihrer Geschichte. Die AfD – bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall, drei Landesverbände gar als erwiesen rechtsextrem eingestuft – ist dafür der zentrale Akteur.
In Thüringen ist die Partei bei der Landtagswahl stärkste Kraft geworden; in Sachsen und Brandenburg hat sie dieses Ziel nur knapp verfehlt, der Preis dafür war hoch. Wie die Partei den Parlamentarismus ins Chaos stürzen will, hat sie bei der Konstituierung des Erfurter Landtags eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Angesichts dieser Lage sind die derzeit am häufigsten vorgetragenen Argumente gegen ein Verbotsverfahren erschreckend leichtgewichtig. Man muss die AfD politisch bekämpfen, heißt es da. Ein Verfahren werde die AfD nutzen, um sich als Märtyrer zu stilisieren. Und, auch gern genannt: Es werde der Partei bei der Bundestagswahl bei der Mobilisierung nutzen und sich gegen die demokratischen Parteien wenden.
Das trifft alles zu, ist aber wenig überzeugend. Natürlich muss man die AfD politisch bekämpfen; da sind sich alle Demokrat*innen einig. Das aber ist in den vergangenen Jahren nur mäßig gelungen.
Parteitaktik fehl am Platz
Und den juristischen Weg zu beschreiten bedeutet ja nicht, die politische Gegenwehr aufzugeben. Zutreffend ist auch, dass die AfD ein Verbotsverfahren dafür nutzen wird, sich zum Opfer zu stilisieren. Das ist fester Bestandteil ihrer Strategie, macht die Partei also sowieso – ganz egal zu welcher Gegenmaßnahme man greift. Und selbstverständlich würde die AfD ein Verbotsverfahren bei der Bundestagswahl zur Mobilisierung nutzen – möglicherweise auch erfolgreich und auf Kosten der anderen Parteien.
Doch parteitaktische Überlegungen sind hier wirklich fehl am Platz. Das gilt im Übrigen auch für den Versuch der Unionsspitze, den Verbotsvorstoß als linkes Vorhaben darzustellen. Initiator ist immerhin der Christdemokrat Marco Wanderwitz.
Gewichtiger ist das Argument, dass ein Verbotsantrag in Karlsruhe besser nicht scheitern sollte. Aber auch das kann man andersherum sehen, wie die Antragsteller es in ihrem Entwurf tun. Da heißt es sinngemäß: Angesichts des handfesten Verdachts, dass die AfD verfassungswidrig ist, „gebiete“ die Verantwortung des Bundestags, eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Und es stimmt ja: Die Indizien für die Verfassungswidrigkeit der AfD sind massiv. Und das Bundesverfassungsgericht ist die zuständige Instanz.
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Alternative für Deutschland (AfD)
Kommentar von
Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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