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AfD-Parteitag in StuttgartGegen EU und Flüchtlinge

Erwartbar sind die Ergebnisse des Parteitages bislang. Es gibt auch Überraschungen, die nur in eine Richtung weisen – nach rechts.

Die Anti-AfD-Protestierenden haben eine klare Meinung zu der Partei Foto: dpa

Stuttgart taz | Eine deutsche Tugend hat die AfD am ersten Tag ihres Parteitages mit viel Liebe gepflegt: Ausdauer. Es ist ein kompliziertes Verfahren, dass sich die Versammlungsleitung überlegt hat: Schon früh am Tag hatten sich die Mitglieder des Parteitages dafür entschieden, ausschließlich den Leitantrag zu debattieren, den eine Programmkommission über Monate hinweg formuliert hatte. Alternativvorschläge – wurden gar nicht erst besprochen.

Dann gewichten die Mitlieder, worüber sie am längsten debattieren wollen. Euro, Asyl, deutsche Sprache. Danach noch eine Abstimmung darüber, welche der Unterthemen dran kommen – nach einer Stunde soll Schluss sein mit jedem Oberthema. Herauskommt: Viel Geschäftsordnungsfragen, wenig Inhalte. Am Ende debattieren sie über den Euro und über Asyl. Aber nur ein bisschen. Im wesentlichen schließt sich der Parteitag dem Leitantrag der Programmkommission an.

Langfristig, sagt Frauke Petry, wolle sie sich auf Regierungsverantwortung vorbereiten. Dann verliert sich ihre Partei im Kleinklein: Erst beschließen sie, dass der EU-Beitritt der Türkei in keiner Koalitionsverhandlung diskutiert werden soll. Eine Neuerung verhandelt die Jugendorganisation „Junge Alternative“ in das Paket. Sie hatte beantragt, die EU auf ein Wirtschaftsbündnis zu reduzieren. „Europa braucht keine politische Union“, sagt einer der Antragsteller. „Die EU muss weg, die EWG muss her.“ Die AfD beschließt im Vorbeigehen einen großen Hammer. Bis zur Regierungsverantwortung ist es offenbar noch ein weiter Weg.

Dann wollen die Delegierten über ihr Kernthema debattieren, die Asylpolitik. Grundsätzlich beschließt der Parteitag die bekannte Linie: Zuwanderung rigide begrenzen, Grenzkontrollen ausbauen und höhere Hürden, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen. Eine zwischenzeitlich beantragte „Untergrenze für Abschiebungen“, mindestens 200.000 Menschen im Jahr, wurde schließlich als unpraktikabel verworfen. Ein Redner der für Einwanderung plädiert wird ausgebuht. Ein anderer sagt, er würde gerne die vollständige Abschaffung des Asylrechts zur Diskussion stellen und beantragt weitere 30 Minuten Debattierzeit dafür. Doch er findet nur wenige Mitstreiter und so schließt die AfD das Kapitel ab.

Petry verabschiedet die Parteimitglieder mit einer Medienschau. Gar nicht so schlecht, die große Aufmerksamkeit, sagt sie. So hätte sie gelesen, die Partei sei „deutschnational“. „Für eine deutsche Partei ist das gar keine so schlechte Beschreibung“, sagt sie.

Dazu passt die Ankündigung Marcus Pretzells, der gemeinsam mit Beatrix von Storch Europaabgeordneter ist. Er wollte diskutieren, in welcher Fraktion des EU-Parlamentes er Mitglied wird, doch die Teilnehmer stimmen dagegen, das auf dem Parteitag zum Thema zu machen. Also entscheidet sich Pretzell ganz allein – für rechtsaußen. Die EnF wird seine neue Heimat, die Fraktion von Front National, Partij voor de Vrijheid und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) also. Unerheblich ist das für die Partei nicht. Sondern eine Positionierung. Und um die soll es schließlich an diesem Wochenende in Stuttgart gehen.

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19 Kommentare

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  • Der IS ... ähm die AfD will die Spaltung der europäischen Gesellschaften, will eine Trennung zwischen Muslimen und Nichtmuslimen provozieren. Am liebs- ten einen kleinen, konfessionell geprägten Bürgerkrieg.

  • Mir scheint, bei den Jüngeren geht der Sinn einer AfD und einer NSDAP völlig ab. Die NSDAP war eine Radaupartei - aber man darf auch nicht vergessen, dass diese Zeit nach dem 1. Weltkrieg durch Mord und Totschlag geprägt war. Ob Freikorps mit staatlicher Duldung Arbeiteraufstände zusammenschossen, ob in Oberschlesien ein heimlicher Krieg tobte, in Mecklenburg-Vorpommern dubiose Fememorde verübt wurden - diese Gesellschaft war verroht, entwurzelt und streng getrennt in Kasten. Aber eins stand fest: Die Politik sollte von der "Quatschbude" wieder zurück in die Hände der Großindustriellen gelangen. Dafür bot sich am Ende die NSDAP an. Nachdem das dumme Volk diese Partei an die Macht gewählt hatte, wobei die finanzielle Unterstützung durch die Industrie die Partei am Leben gehalten hatte, wurden sämtliche Errungenschaften der Weimarer Politik rückgängig gemacht. Verbot der Gewerkschaften, Senkung der Löhne auf ein Niveau unter das Jahr 1928 und Durchsetzung des Führerprinzips auf allen Ebenen.

     

    Hier beginnt der Gleichklang mit der AfD. Die heutige Gesellschaft ist zerfallen in Gruppierungen, wobei die "Mitte" einen Zweifrontenkrieg führt. Es ist die Wut auf "die da oben" und die pathologische Angst in die verhasste "Unterschicht" abzusteigen. Die AfD bedient eben beide Lager. Das ist das Gefährliche, denn in ihrem zukünftigen totalitären Führerstaat werden demokratische Grundrechte eingedampft. Die hauchdünne Oberschicht, vertreten durch eine Beatrix von Storch und Abkassierern aus Vorstandsetagen, übernimmt die Herrschaft und die Ausplünderung der Bürger. Zurück in das Deutschland vor 1848 - zu Feudalismus und Manchesterkapitalismus.

     

    Sie wollen das neue Biedermeier, mit dem kulturellen Niveau einer "Gartenlaube" zur Benebelung des Bürgers bei gleichzeitigem Verstopfen der staatlichen Geldquellen für Kunst und Wissenschaft. Die auch von der AfD favorisierte "Blut und Boden"-Kunst der Nazis zeigt, wie sich eine AfD das "neue" Deutschland vorstellt.

    • @achterhoeker:

      "Nachdem das dumme Volk diese Partei an die Macht gewählt hatte, wobei die finanzielle Unterstützung durch die Industrie die Partei am Leben gehalten hatte, wurden sämtliche Errungenschaften der Weimarer Politik rückgängig gemacht."

       

      Von welchen Errungenschaften sprechen Sie? Aus republikanischer Sicht: die Monarchie war abgeschafft. Ansonsten gab es extrem hohe Arbeitslosigkeit. Große Teile der Bevölkerung hungerten. Permanente Regierungswechsel und Regieren mit Notverordnungen. Versailler Diktat. Das alles hat das - wie Sie es als Linker nennen - dumme Volk gestört.

       

      Hernach erlebte das für Sie dumme Volk einen wirtschaftlichen Aufschwung, das können Sie drehen und wenden wie Sie wollen. In der Weimarer Zeit wurde kein Volkswagen entwickelt, der festpreiskalkuliert für jeden erschwinglich war und mit günstigen Krediten subventioniert worden ist. Es gab in der Weimarer Zeit keine günstigen Häuserkredite, die eine Familie ab 4 Kindern (was damals normal war) nicht zurückzahlen musste. Darauf sprang das für Sie dumme Volk an. Die Kommunisten brachten sowas ja nicht auf die Reihe. Mit heute können Sie das gar nicht vergleichen. Die Ausgangslage ist völlig anders. Und eine Afd mit einer NSDAP in Verbindung zu bringen eigentlich krotesk.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @achterhoeker:

      Das ist mit Abstand die beste Analyse der AfD, die ich gelesen habe. Das was von der Partei als Protest verkauft wird, würde dann für eine patriotisch gesinnte Klassengesellschaft umgewandelt. Im Unterschied z.B. zu nationalistischen Parteien in Polen, Ungarn oder Frankreich sehen sich die AfD-Oberen als (wirtschafts)liberal-konservative, die (teilweise bewusst) die Massen mit der Patriotismus-Münze für dumm verkaufen.

  • Welche "drollige" Antwort von Trollen? Was Sie hier zeigen ist schon lange bekannt: Im Osten Deutschlands schwindet die Bevölkerung. Und die Rechten vergraulen alle, die eventuell Interesse hätten sich da anzusiedeln.

    • @Ute Krakowski:

      Antwort auf @tomas.

       

      Was diese Demo betrifft: Ob das wohl sinnvoll war, der AfD noch mehr Aufmerksamkeit zu bringen und dazu noch das Bild einer doch ziemlich aggressiv agierenden Truppe zu bieten? Das ist doch Wasser auf die Mühlen. Frauke Petry hat sich jedenfalls gefreut.

  • viele Bürgermeister in Europa würden sich freuen wenn mehr neue Bürger zu ihnen ziehen würden,

     

    demografische Entwicklungskarte im link http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Home/Topthemen/Downloads/bevoelkerungsentwicklung.jpg?__blob=publicationFile&v=3

     

    P.S. freu mich scho auf die drolligen Antworten der Trolle

  • AfD tut das, was NSDAP vor 83 Jahren machte:

    Propaganda für Nationalismus, Macht-Veränderung, Wohlstand und Herren-Menschentum. Danach war die Demokratie kaputt, die Wirtschaft durch Rüstung angekurbelt und die Deutschen hypnotisiert durch Adolf Hitler. Das Ende war die grösste Katastrophe der Menschheit.

    Heute kapieren es die meisten Europäer: Dieser Infekt sollte durch Spritzen der Vernunft bekämpft werden.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Johannes Spark:

      Propaganda funktioniert nur über die Medien, heutzutage problemlos - ohne Volksempfänger.

      Wenn selbst die taz sich keine AfD-Abstinenz verordnet, braucht man sich nicht zu wundern, wenn diese Partei und ihre Thesen ständig in allen Köpfen präsent ist.

    • @Johannes Spark:

      Solche AfD/NSDAP Vergleiche bringen nichts, weil die AfD nicht annähernd so radikal ist wie 1933 die Nazis. Und Menschen, deren Meinungen dir nicht gefallen, wählen eben Parteien, die dir nicht gefallen. Davon geht jedenfalls nicht die Demokratie kaputt.

      • @Frederic:

        Die Töne sind leiser, doch das Lied ist dasselbe - und die es singen, auch. Denn ohne Mitläufer kein Drittes Reich und ohne besorgte Bürger kein viertes.

         

        Remember Standardspruch ab 9. Mai 1945: "Man konnte doch nicht wissen, dass der Hitler so etwas vorgehabt hat."

         

        Die AfD ist gefährlich aus Berechnung, die sie wählen, sind gefährlich aus Dummheit.

  • Es kommt leider nicht so gut an, wenn man dem Auge der Kamera vermummt den Mittelfinger zeigt. Der Zeitungsleser fühlt sich da schnell persönlich beleidigt.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Maike123:

      Der typische taz-Leser weiß, dass der Stinkefinger nicht ihm gilt.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Wäre es nicht effektiver gewesen, mit Worten zu argumentieren als mit solchen Gesten und mit Gewalt?

         

        "Die Feder ist mächtiger als das Schwert."

        Indiana Jones III

         

        Vernünftige Argumente dürfen ruhig mal durch bissige Satire verdeutlicht werden, plumpe Beleidigungen schaden jedoch nur der Sache.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Maike123:

          "Die Feder ist mächtiger als das Schwert."

          Indiana Jones III

           

          Auch Indiana Jones III:

          "Nazis. Ich hasse diese Kerle." ;)

    • @Maike123:

      Also mir gefällts. Aber ich bin ja auch nicht gemeint. Wer sich angesprochen fühlt - bitte!

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Maike123:

      gleich mal der türkischen Botschaft melden...

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @889 (Profil gelöscht):

        Nicht nötig, ist schon dort angekommen und schon längst durchs Raster gefallen, hat nämlich nix mit zu tun...

      • @889 (Profil gelöscht):

        Ja, schnell, bevor noch mehr Beleidigungsparagraphen abgeschafft werden ;)