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AfD-Mitglieder in Literatenverbänden„Kein Zufall, sondern Strategie“

Astrid Vehstedt ist als Vorsitzende des Berliner Landesverbands deutscher Schriftsteller zurückgetreten, weil ihr Kollege sich als AfD-Mitglied entpuppt hat.

„Es gibt eine Debatte im Verband, das ist gut“ Foto: imago/imagebroker
Cornelius Oettle
Interview von Cornelius Oettle

taz: Frau Vehstedt, Sie sind als Vorsitzende des Berliner Landesverbands des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) zurückgetreten, nachdem die AfD-Mitgliedschaft des Vorstandsmitglieds Olaf Kappelt bekannt wurde. Wie kam es dazu?

Astrid Vehstedt: Der Ausgangspunkt war die Gründung des Friedrich-Bödecker-Kreises, ein bundesweit vertretener Kreis, der Kinder- und Jugendbuchautoren unterstützt und den es bisher hier in Berlin nicht gab. Olaf Kappelt bot sich als Vorstand an, was ich zunächst auch im Sinne der Anbindung an den Verband deutscher Schriftsteller befürwortete. Dann stellte sich jedoch heraus, dass er AfD-Aktivist ist und es erschienen noch weitere AfD-Sympathisanten in der Gründungsversammlung des Bödecker-Kreises. Darunter war etwa der Leiter der Bibliothek des Konservatismus (Wolfgang Fenske, Anm. d. Red.), die zu einem Netzwerk der Neuen Rechten gehört. Eine Zusammenarbeit kam daher für mich nicht mehr in Frage.

Sie hatten die Hoffnung, dass die Mehrheit ihrer Vorstandskollegen ebenfalls zurücktreten würde, weil der fünfköpfige Vorstand somit aufgelöst wäre. Wer ist Ihnen gefolgt?

Ich hatte es gehofft, weil es eine klare Aussage gewesen wäre. Aber ich bin allein zurückgetreten.

Was ist mit den anderen? Haben die kein Problem mit der AfD? Vorstandsmitglied Michael Wildenhain ist beispielsweise Mitglied der Linken.

Sie sind jedenfalls nicht zurückgetreten und haben sich auf die Seite des AfD-Aktivisten gestellt. Nur mein Stellvertreter (Michael André Werner, Anm. d. Red.) hat sich mit mir solidarisch erklärt.

Hat sich Kappelt zuvor nicht zur AfD bekannt?

Nein, anfangs gar nicht. Er sitzt ja schon seit zweieinhalb Jahren im Vorstand des Landesverbands und bekleidet auch verschiedene Ämter bei „ver.di“. Er hat immer wieder versucht abzuwiegeln und zu verschleiern, bis es es irgendwann nicht mehr ging. Rückblickend sehe ich einiges in einem anderen Licht. Mir scheint, dass das kein Zufall ist, sondern Strategie dahintersteckt.

Im Interview: Astrid Vehstedt

ist seit 2014 Vorsitzende des VS Berlin/Brandenburg. Sie wurde in Hamburg geboren, ist Autorin und Musiktheaterregisseuren. Sie lebte und arbeitete lange in Belgien, und schreibt auch auf Französisch und Niderländisch.

Unterwandert die AfD also Literatenverbände?

Zumindest hatte sich niemand im Rahmen der Gründung des Friedrich-Bödecker-Kreis' als AfD-Sympathisant vorgestellt. Wir haben das nach und nach herausgefunden. Der Leiter der Bibliothek des Konservatismus stellte sich als Theologe vor, eine andere als Literaturpreisträgerin – es handelte sich allerdings um einen Preis, der von der Jungen Freiheit verliehen wurde.

Was bedeutet das für den VS Berlin?

Es gibt eine Debatte im Verband, das ist gut. Ich bekomme Rückmeldungen von Schriftstellern, die sich vorher nicht eingebracht haben. Wenn das Ganze einen positiven Effekt hat, dann den, dass sich Menschen aufgerufen fühlen, Position zu beziehen und sich einzumischen.

Einige Schriftsteller haben ihren Austritt angekündigt für den Fall, dass ein AfD-Mann im Vorstand bleibt.

Ich halte es nicht für zielführend, aus dem Verband auszutreten und dem AfD-Mann das Feld zu überlassen.

Wird es Neuwahlen geben?

Wären wir im Februar alle zurückgetreten, hätte man satzungsgemäß nach vier oder fünf Wochen eine Neuwahl ansetzen können. Nach meinem Rücktritt kann ich dazu nichts mehr sagen, aber natürlich muss es Neuwahlen geben.

Würden Sie dann nochmal antreten?

Das hängt von den weiteren Entwicklungen ab. Wären wir alle geschlossen zurückgetreten, wäre ich sofort wieder angetreten. Aber jetzt muss ich mal sehen, wie die Lage ist. Es kommt ja auch darauf an, wie viel Unterstützung man bekommt. Jedenfalls macht es keinen Sinn, in Grabenkämpfe zu verfallen. Ich hoffe aber, dass wir im VS Berlin einen positiven Ausweg aus der Krise finden und weiterer Schaden vom VS abgewendet werden kann. Daran müssen jetzt alle mitarbeiten.

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14 Kommentare

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  • Ich habe heute eine Rundmail mit der Stellungsnahmme des Vorstandes erhalten (ohne Unterschrift von Kappelt)

    Zitat: 1. Bei der Vorstandssitzung des VS Berlin am 16.2.2017 hat Waltraud Schade der Vorsitzenden Astrid Vehstedt ihr Misstrauen ausgesprochen. Die Begründung war umfassend und bezog sich auf weite Teile der Arbeit der Vorsitzende" - Der Rücktritt von Vehstedt war also offendsichtlich nicht nur der Personalie Kappelt geschuldet. - Habe dem Mann mal hinterhergegoogelt und festgestellt, dass er ein Nazi-Jäger in der DDR war (er schrieb das "Braunbuch DDR") auf den sogar ein Auftragskiller der SED angesetzt wurde. - Interessant!

    • @Berrybell:

      Siehe meinen Beitrag unten.

  • Astrid Vehstedt ist bereits am 16. Februar als Berliner VS-Vorsitzende zurückgetreten, nachdem die (immer noch linke) Vorstandsmehrheit ihr wegen ihrer bisherigen Arbeit das Misstrauen ausgesprochen hat. Das nun im Nachhinein selbstdarstellerisch als hehre Tat gegen einen als AfDler geouteten Mitvorständler zu zu präsentieren, ist nur noch peinlich.

  • Wenn der AfD Verfassungsfeindlichkeit zu attestieren ist und sie unsere demokratische Grundordnung nachhaltig gefährdet, dann ist sie zu verbieten. Ansonsten werden wir wohl damit leben müssen, dass sie auch in Verbänden und Vereinen mit Mitgliedern, ab und an gar mit Vorstandsmitgliedern, vertreten sein wird, so schwer Menschen aus anderen politischen Richtungen auch fallen mag.

    • @Nikolai Nikitin:

      Nee, leben "müssen" muss niemand damit. Man sieht ja hier, dass man auch aus Vereinen und Vorständen austreten kann, wenn einem das nicht passt.

       

      Und das ist auch jedermanns Recht. Solange es keine Zwangsmitgliedschaften bei einem Literaturverein gibt, kann jeder das für sich selbst entscheiden.

       

      Viel interessanter finde ich den Hinweis, dass das AfD-Mitglied wohl auch bei verdi in Funktionen sitzt. Wie reagiert eine Gewerkschaft darauf?

      • @Age Krüger:

        Gibts einen "Unvereinbarkeitsbeschluss" gegen die AfD bei verdi? Nein? Tja, dann reagiert die Gewerkschaft wohl gar nicht darauf (auch: die kenne auch ihr Fußvolk - und das ist schon lange nicht mehr "traditionell SPD". Die wählerschichten der AfD sollten inzwischen bekannt sein..)

    • 3G
      32795 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      JEIN, es gibt "die AfD" noch nicht, dazu ist die Partei noch zu jung. Es gilt genau hinzusehen mit was für einem Exemplar man es da konkret zu tun hat. Da kann man es durchaus mit knallharten Verfassungsfeinden zu tun haben auch wenn die Partei "im Durchschnitt" diese Grenze nicht überschreitet.

      • @32795 (Profil gelöscht):

        Na klar, so vielfältig ist die politische Landschaft und man kann nicht behaupten, dass diese durch die AfD nicht wieder belebt worden wäre. Ob einem die Richtung passt oder nicht, ist eine andere Frage.

  • Der Marsch durch die Institutionen funktioniert von rechts genauso wie von links. Und wenn er nur lange genug dauert, schleifen sich in beiden Fällen so manche Spitzen von selber ab.

  • Die AfD wird bei Wahlkämpfen unterschätzt. Die AfD verwendt auch wissenschaftliche Erkenntnisse. Nicht umsonst gibt es bei den Rechtspopulisten einige Professoren.

  • Kann man dort nur mit dem richtigen Parteibuch in den Vorstand kommen ? Die richtige Gesinnung brauchst halt, ich denke,das muss man verstehen .Oder eine stramme linksorientierte Kommission einrichten, sonst könnte sich ja jeder Parteibuch Besitzer bewerben.Da hört sich doch alles auf.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    OK, der Rücktritt garantiert die (kurzfristige) Aufmerksamkeit. Trotzdem ist es das Prinzip "Selbstmord aus Angst vor dem Tod".

     

    Bei zweistelligem Wählerpotential und wie Pilze aus dem Boden schießenden, neuen Ortsverbänden, etc. kommen wir der AfD so nicht bei. Auch wenn's weh tut, die AfD muss im Kleinen bekämpft werden. Derartige "Kleinereignisse", also AfD-Funktionäre die sich in verschiedensten Verbänden breit machen sind jetzt wohl tausendfach zu erwarten, da auf ein großes Echo aus der Gesellschaft zu hoffen ist keine Strategie für die Masse der Fälle. Es hilft nur der "Kampf Mann gegen Mann" (Frau natürlich auch), anders kommen wir dem nicht mehr bei...

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Natürlich, wenn einem die politische Meinung des anderen nicht gefällt dann muss er im Kampf Mann gegen Mann bekämpft werden. Scheinbar stört es nicht wenn Leute aus der Linkspartei dabei sind, weil man dann ja wohl die richtige Gesinnung aufweist.

  • Kappelt hat ein hochinteressantes "Braunbuch DDR" geschrieben, welches folgendermaßen rezensiert wurde: "Kurzum bei dem hier vertretenen Wissenschaftsverständnis und den platten Propagandasprüchlein in den Vorwörtern gehen einem als Linken die Nackenhaare schon hoch. Dennoch befördert Kappelt schlussendlich gestützt auf seine rot=braun-These Tatsachenmaterial zu Tage, das Deutschland quer zu den politischen Absichten des Herrn Habsburg sehr wohl diskreditiert. Daran kommt man als Linker nicht vorbei. Hier findet sich tausendfach empirisches Material fürs antideutsche Geschichtsbild."

    http://www.trend.infopartisan.net/trd7809/t157809.html