AfD-Klage gegen Stadtobere in Hannover: Nicht neutral betrachtet
Die AfD verklagt den Oberbürgermeister und seine Dezernentenriege vor dem Verwaltungsgericht, weil sie nicht brav da sitzen und nicken.

N eutralität ist ein schwieriges Ding. Niemand weiß so hundertprozentig, wie sie aussehen soll – langweilig vermutlich, farblos oder beige, ein bisschen unscharf oder irgendwie egal.
Neutralität ist das, was die AfD seit geraumer Zeit immer mal wieder für sich einfordert, von Amtsträgern vor allen Dingen. In dieser Woche musste sich das Verwaltungsgericht Hannover mal wieder mit zwei solcher Neutralitätsklagen der AfD befassen.
In der ersten Klage ging es um den Ersten Stadtrat Axel von der Ohe (SPD), der eine AfD-Anfrage zu beantworten hatte. In dieser ging es – wir sprechen hier vom Jahr 2022 – grob zusammengefasst darum, ob man jetzt endlich mal diese ganzen kriminellen Syrer und Afghanen abschieben würde, um Platz für ukrainische Frauen und Kinder zu schaffen.
Von der Ohe leitete seine Antwort (die übrigens wenig überraschend „Nein“ lautete) mit einer persönlichen Vorbemerkung ein, in der er das hinter dieser Anfrage liegende Menschenbild zurückwies und sagte, die wäre besser überhaupt nicht gestellt worden.
Den Ratssaal zu verlassen war nicht ok
Das – fand das Verwaltungsgericht – ist zwar eine Wertung, aber keine, die so unsachlich, ungebührlich, schmähend oder beleidigend wäre, dass man sie zu beanstanden hätte.
„Jetzt kommen Sie mir doch nicht schon wieder mit dieser rassistischen Kackscheiße“, hätte er also nicht sagen dürfen. Aber so drückt sich der Mann ja öffentlich nie aus, der will auch einmal Bürgermeister werden, munkelt man.
Beim zweiten Fall ging es um die Ratssitzung am 22. Dezember 2022. Als der AfD-Fraktionsvorsitzende Jens Keller in seiner Haushaltsrede begann, von „kulturfremden Sozialtouristen“ zu schwadronieren, verließen Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), etliche Dezernenten und einige Ratsmitglieder den Saal.
Da ahnte man im Rathaus sehr wohl, dass man damit vielleicht gegen die Spielregeln verstößt. Jedenfalls versuchte man es mit so Ausreden wie: Es gäbe ja keine durchgehende Anwesenheitspflicht und andere müssten ja auch mal telefonieren oder aufs Klo oder an die frische Luft.
Das ließ das Gericht nicht durchgehen. Der OB und seine Dezernent*innen hätten „den Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung verlassen“, befand die Kammer.
Nutzlose Klage als PR-Gag
Und wies die Klage der AfD trotzdem ab. Die hätte nämlich sofort protestieren können – und mit einem Antrag zur Geschäftsordnung darauf hinwirken können, dass die Abwesenden zurückgepfiffen werden. Hat sie aber nicht. Warum nicht? Weil man lieber Verwaltungsgerichte mit sinnlosen Klagen verstopft, die sonst vielleicht Asylklagen abarbeiten würden.
Neutral betrachtet ist der AfD natürlich in beiden Fällen gar nichts passiert: Ihr Rederecht wurde nicht beschnitten, ihre Anfrage ordnungsgemäß beantwortet – ob nun mehr oder weniger neutral, ändert im Ergebnis null.
Aber so eine Klage ist immer ein hübscher PR-Gag, denn egal wie sie ausgeht, man kann sich anschließend den eigenen Anhängern gegenüber mal wieder als große Märtyrerin aufspielen.
Das ist halt wichtig für Menschen, bei denen das Gefühl, immer benachteiligt zu werden, genauso zur emotionalen Grundausstattung gehört wie das andauernde Empört- und Beleidigtsein. Na gut, hier bitte schön, man gönnt euch ja sonst nix.
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