AfD-Delegation in Moskau: Roter Teppich für Putin-Versteher
Bizarres Theater: Die AfD inszeniert sich in Moskau als Freund des Kreml und trifft sich mit Außenminister Lawrow. Der lässt die AfD vortanzen.
W er aus der Coronakrise wenig bis gar kein politisches Kapital schlagen kann, muss nach anderen Wegen der Profilierung suchen. Da dürfte Tino Chrupalla, einem der beiden AfD-Parteichefs, die Einladung der russischen Duma nach Moskau inklusive eines Mittagsessens mit Außenminister Sergej Lawrow gerade rechtkommen. Schließlich darf ja nicht jeder im Kreml vorsprechen – was offensichtlich auch für Alexander Gauland gilt, dessen Reise aus „organisatorischen Gründen“ abgesagt wurde. Aber jemandem den roten Teppich auszurollen, der die Naziherrschaft als Vogelschiss der Geschichte abtut, dürfte wohl auch in Russland in weiten Kreisen auf Unverständnis stoßen.
Dennoch mag sich so mancher fragen, was in diesem Fall hinter der Gastfreundschaft des Kremls steckt. Die Antwort ist so überraschend nicht. Schließlich pflegt die AfD von jeher erbauliche Beziehungen zu Russland. Erinnert sei nur an den Fall Lisa – eine Russlanddeutsche, die 2016 angeblich von einem Geflüchteten vergewaltigt worden war. Auch als sich die Geschichte als Fake erwies, war das deutsch-russische Verhältnis dank der abstrusen Behauptungen von Lawrow nachhaltig vergiftet – assistiert von Vertreter*innen der AfD, die propagandistisch in derselben trüben Brühe fischten wie der große Bruder im Geiste. 2018 stellten sich AfDler zur Verfügung, um die russischen Präsidentschaftswahlen auf der völkerrechtswidrig annektierten Krim zu beobachten. Im Fall des Abgeordneten Ulrich Oehme kam später heraus, dass Russland die Reise bezahlt hatte.
Und jetzt? Das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau ist so zerrüttet wie seit Langem nicht mehr. Da ist es wohltuend, mit Politikern zu plaudern, die die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und eine Normalisierung der Beziehungen predigen – ungeachtet so bedauerlicher Vorfälle wie des Attentats auf den Oppositionellen Alexej Nawalny.
So kann Moskau vordergründig Dialogbereitschaft simulieren, doch in Wahrheit geht es nur um eins: spalten und polarisieren. Dass sich die AfD dabei einmal mehr zum Erfüllungsgehilfen macht, spricht für sich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr