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Ärzte und KorruptionDank der Gesetzeslücke

Bundesgesundheitsminister Bahr will gegen Bestechung bei Ärzten vorgehen. Auch die CSU fordert: Korrupten Medizinern müsse die Zulassung entzogen werden können.

Die Annahme von Zuwendungen für die Verschreibung bestimmter Arzneimittel sind ist nicht strafbar. Bild: dapd

BERLIN dpa | Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will gegen Ärzte im Fall von Korruption und Bestechung juristische Schritte ermöglichen. Ermittlungen müssten stattfinden können, sagte Bahr am Donnerstagabend beim Neujahrsempfang der deutschen Ärzteschaft in Berlin. Ärzte dürften nicht dem Wohl eines bestimmten Unternehmens verpflichtet sein.

Selbst wenn es nur wenige Fälle von Korruption seien, sei dies doch Anlass, dagegen etwas zu tun. Die Prüfung möglicher neuer Regeln brauche aber noch Zeit. Der Bundesgerichtshof hatte vor einem halben Jahr entschieden, dass Korruption niedergelassener Ärzte nach geltendem Recht nicht strafbar ist.

Durch die Annahme von Zuwendungen etwa für die Verordnung bestimmter Arznei- oder Hilfsmittel sind Mediziner also nicht wegen Bestechlichkeit strafbar. Der Ruf, hier eine Gesetzeslücke zu schließen, war zuletzt lauter geworden. Staatsanwälte und Kassenermittler hatten von einer Bandbreite von Fällen in dem Bereich berichtet.

Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (Freitag) haben die gesetzlichen Krankenkassen 2010 und 2011 rund 53 000 Fälle von Ärzten, Apothekern, Krankenhäusern oder anderen Geschäftspartnern registriert – meist Abrechnungsbetrug.

41 Millionen Euro Schadenersatz

In 2600 Fällen ermittelte demnach die Staatsanwaltschaft. Das gehe aus einem Bericht des Spitzenverbands der Krankenkassen hervor, den das Gesundheitsministerium unter Verschluss halte. Die Krankenkassen hätten Schadenersatzforderungen von insgesamt 41 Millionen Euro durchgesetzt.

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), dringt auf eine baldige Gesetzesverschärfung. „Noch in diesem Monat muss etwas passieren, sonst wird es schwierig, strengere Gesetze noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen“, sagte Zöller den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Freitag) und dem Internetportal derwesten.de.

Korrupten Medizinern müsse die Zulassung entzogen werden können. Verstöße sollten künftig als Straftat gelten und Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sein können. Im Gesundheitsministerium wird derzeit geprüft, ob das Sozialgesetzbuch geändert werden soll. Passgenaue Änderungen gelten aber nicht als einfach.

Bahr sagte, Ärzte sollten auch künftig nicht als Angestellte der Krankenkassen gelten dürfen. Für angestellte Ärzte gibt es schon heute andere Regeln als für die freiberuflichen Praxisärzte.

Die Ärztekammern leiteten in den vergangenen Jahren fast 1000 Verfahren gegen Mediziner ein. Vorteile annehmen dürfen die Ärzte laut den Berufsordnungen der Ärztekammern schon heute nicht, wenn ihre Unabhängigkeit leidet. Unter anderem drohen Geldbußen.

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2 Kommentare

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  • G
    gustav

    Ich finde es nicht richtig, dass

    Krankenkassen sich als Anwälte,

    Geldeintreiber der

    Patienten und des Staates aufspielen und Richter

    über Kassenärzte und Patienten sein wollen, dabei aber noch dazu locker

    20% der Gesamtkosten für sich verbraten.

    Dieser avisierte Machtgewinn kommt

    einer Klüngeldiktatur gleich, in der

    jede autonome Gestaltungsfähigkeit sabbotiert

    werden soll.

    Die Krankenkassen sollen nur als Treuhänder

    für die Finanzierung medizinischer Dienstleistungen

    fungieren. Mehr nicht!

    Die Krankenkassen sind mit hauptverantwortlich für

    unsere heutige Zweiklassenmedizin und lenken von

    ihrer eigenen massiven Ineffizienz ab!

    Natürlich sollen Ärzte nicht von der Pharmalobby finanziert werden, sondern durch ihre eigene

    Arbeit zu einem Festgehalt mit max. 20 Leistungszuschlägen. Das wäre sicherlich richtig.

    Aber das rechtfertigt das dreiste Benehmen der Krankenkassen in keiner Weise!!!

  • W
    Wolfram

    Als "Aussteiger" aus dem Medizingeschäft kann ich über die Aufregung über die aufgedeckten Fälle von Korruption in der Ärzteschaft nur müde lächeln. Das Ausmaß dieser prima vista zu erkennenden Korruption durch die Pharma- und medizintechnische Industrie wird um ein vielfaches übertroffen von der institutionalisierten und somit quasi legalisierten Lizenz zum Gelddrucken in der Rige der Chefärzte deutscher Krankenhäuser. Außerhalb jeglicher Kontrolle und in Komplizenschaft mit den Klinikverwaltungen haben sich Breicherungspraktiken etabliert, die die Schäden durch Bestechung bei weitem übertreffen. Allen Leitlinien und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz erfolgt die Therapie der Patienten fast ausschließlich nach rein pekuniären Kautelen. Durch die mittelalterlichen Strukturen der Krankenhaushierarchie werden abertausende von Assistenzärzten und das Pflegepersonal zwangsweise zu Mittätern gemacht. Den Krankenkassen ist dies wurscht. Die Privatkassen erhöhen einfach die Beiträge, die gesetzlichen Kassen senken die Vergütung im Bereich der Kassenärzte ab und die Patienten glauben dem Herrn Professor soundso alles. Das wichtigste Instrument, um diese Verhältnisse aufzudecken wäre Transparenz ins System zu bringen und das Liquidationsrecht von Krankenhausärzten ersatzlos zu streichen. Wem ein Chefarztgrundgehalt nicht reicht, sollte seine Berufwahl noch mal überdenken oder sollte in die Industrie gehen.