piwik no script img

Ärger mit Bitcoin in El SalvadorKursrutsch sorgt für Verunsicherung

Die Regierung von El Salvador setzt auf Bitcoin als Währung für alle. Der jüngste Crash zeigt nun, wie risikoreich das ist.

Gegen die Einführung des Bitcoins als Währung wurde um September 2021 in El Salvador protestiert Foto: Camilo Freedman/dpa

Mexiko-Stadt taz | Er soll El Salvador von der „Tyrannei des Dollars“ befreien, internationale Investoren anziehen und den Zahlungsverkehr für alle vereinfachen. Das hatte Präsident Nayib Bukele versprochen, als er im vergangenen September den Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel eingeführt hat. Sein Land war das erste weltweit, das diesen Schritt gemacht hat. Doch ob die Kyptowährung die Unabhängigkeit, den Wohlstand und den Fortschritt bringt, den der Staatschef ankündigte, ist umstritten.

Nachdem der Wechselkurs der Digitalmünze stark gesunken ist, geht es mit der Kreditwürdigkeit El Salvadors bergab. Offizielle Angaben darüber, wie viele Bitcoins Bukele bislang gekauft hat, gibt es zwar nicht, aber die Höhe der Ausgaben lässt sich über die Tweets nachverfolgen, die der twitterfreudige Präsident verschickt hat. Demnach handelt es sich um 104,2 Millionen US-Dollar, die aus der Staatskasse in die Kryptowährung investiert wurden. Beim aktuellen Kurs von etwa 29.000 US-Dollar sind diese Bitcoins heute nur noch etwa 66 Millionen US-Dollar wert.

Dieser Verlust ist für Staatshaushalte keine besonders hohe Summe. Zudem wird er ohnehin erst real, wenn die salvadorianische Regierung die ihre Bitcoins verkauft. Und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass der extrem schwankende Kurs der Währung wieder steigt. Doch die negative Bilanz schafft derzeit auf dem Kapitalmarkt große Verunsicherung gegenüber einem Staat, der ohnehin schon hochverschuldet ist. „Die Entscheidung, in Bitcoin zu investieren, hat das Risiko des Landes erhöht, es muss nun den Investoren mehr bezahlen, um Zugang zu internationalen Finanzierungen zu kommen,“ urteilt das Investment-Unternehmen Marlin Investment Group.

Dabei stellt sich schon jetzt die Frage, wie die Regierung ihre bereits bestehenden Schuldner zufriedenstellen will. Allein in diesem Jahr muss sie für die Zahlung von Anleihezinsen 329 Millionen US-Dollar aufbringen, im kommenden Januar steht eine Schuldenrückzahlung von 800 Millionen US-Dollar an. Die Rating-Agentur Moody`s befürchtet, dass El Salvador ab 2023 zahlungsunfähig sein könnte.

Der Internationale Währungsfonds (IWF), der finanzpolitisch abfedernd wirken könnte, verhandelt zwar mit der Regierung über einen 1,3-Milliardenkredit, macht aber zugleich Druck wegen Bukeles Bitcoin-Abenteuer: Wegen der hohen Kursschwankungen und der Gefahr, dass mit der Kryptowährung Gelder gewaschen oder Steuern hinterzogen werden können, forderte er die Regierung auf, das Zahlungsmittel wieder einzustellen.

Nicht alle sehen Bukeles Kurs kritisch

Der Bitcoin-Experte Philipp Mattheis sieht die Entwicklung nicht so schwarz. „Dem IWF passt das nicht ins Konzept, weil er Einflussmöglichkeiten verliert“, erklärt der Autor. Schließlich stehe hinter dem Digitalgeld keine Bank, kein Staat oder Unternehmen, sondern ein dezentrales Netzwerk. „Natürlich existiert für den Staatshaushalt das Risiko, dass sich eine Regierung verspekuliert“, so Mattheis, „aber das passiert ja nicht nur bei dieser Kryptowährung, sondern ebenso bei anderen Geschäften, etwa mit strategischen Ölreserven“. Seiner Meinung nach könnte sich der Bitcoin durchaus positiv für El Salvadors Entwicklung auswirken. Beispielsweise im touristischen Bereich.

Tatsächlich ist seit der Einführung der Kryptowährung die Zahl der Urlauberinnen und Urlauber nach Angaben des Tourismusministeriums um 30 Prozent gestiegen. Besondere Anziehungskraft hat der Strandort El Zonte, der als Vorzeigeprojekt in Sachen Kryptogeld gilt. In der angehenden „Surf City“ können alle Geschäfte, vom Mieten einer Unterkunft bis zum abendlichen Bier mit dem digitalen Geld abgewickelt werden. „Der Erfolg kann Investoren anziehen“, sagt Mattheis.

Schlechter sieht es mit der geplanten „Bitcoin City“ aus. Am Fuß eines Vulkans will Bukele eine hochmoderne Stadt aus dem Boden stampfen, in der Unternehmen steuerfrei produzieren können. Finanzieren will er das Projekt mit „Vulkan-Bonds“ – Bitcoin-Staatsanleihen in Milliardenhöhe. Bislang liege das Vorhaben jedoch wegen der Preisschwankungen durch den Ukrainekrieg auf Eis, so die Regierung. „Alles ist eine Frage des Timings“, erklärte Finanzminister Alejandro Zelaya. Ob jemand angesichts der Zahlungsunfähigkeit El Salvadors in Vulkan-Bonds investieren will, steht jedoch in den Sternen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Bei manchen Kommentaren bin ich sehr verwundert. Hier bieten Leute Redaktionsberatungen und/oder haben das Thema nicht verstanden.

    Bitcoin möchte und muss nicht als Währung fungieren. Im Fall von El Salvador genügt es als Transportlayer über Lightning. Fiat -> Lightning -> Fiat bzw. man bezahlt wieder in Lightning. Zugleich können die Menschen dort Bitcoin als Wertspeicher verwenden. Dies ist ja jedem selbst überlassen. Wichtig ist der Transfer von einem Gastarbeiter in z. B. der USA zu seiner Familie nach El Salvador.

    Die ungleiche Verteilung von Bitcoin ist stets rückläufig, während die ungerechte Verteilung von Fiat zunimmt. Das Schlüsselwort von Bitcoin ist die Zeitpräferenz.

    Es handelt sich nicht um ein Ponzi-Spiel oder MLM, sondern um Angebot und Nachfrage. Viele Leute verkennen hier den inneren Wert von Bitcoin (Buffet, Munger, Dimon, Taleb). Digitaler Werttransfer, bei dem man ohne eine zentrale Partei beweisen kann, dass dieser digitale Wert den Besitzer gewechselt hat.

    Volatilität im Kurs bei einem 13 Jahren jungen Asset ist normal (Keine Stabilität ohne Volatilität - Taleb -> Antifragilität). Hier wieder die Zeitpräferenz.

    In einem anderen Kommentar wird auf die Umwelt eingegangen. Auch hier halten sich viele FUD News.



    Bitcoin wird sich in 15 Jahren nur durchsetzen können, wenn der Strom rein aus regenerativen Energien kommt. Momentan sind es 56%. Erzeugt an Orten, wo die Energie sowieso verpufft und umgewandelt werden muss (Wasser, Vulkan, Flaregas). Strombedarf wird nicht mit Co2 Ausstoß gleichgesetzt. Wenn momentan Kohlekraftwerke die Energie liefern, dann ist dieser Strom zu günstig und dies wird sich ändern. Es liegt an failed States und nicht an Bitcoin - Hate the player, not the game.

    Bitcoin ist das größte, humanitäre Projekt. Es kann finanzielle Inklusion schaffen. 4 Milliarden Menschen können sich einem digitalen Werttransfernetzwerk anschließen.

    Bitcoin ist ein Lehrer und Spiegel. Es ist die Chance für eine bessere Welt.

  • Die ganze Crypto-Geschichte basiert auf einer rechtspopulistischen Verschwörungstheorie. Die Zentralbank druckt Geld um den Staat und oder Banken zu finanzieren und raubt den Sparern ihr Geld. Nur Bitcoin, weil limitiert, würde Inflation vermeiden können und die armen Menschen vor der fiesen Demokratie und ihrer Zentralbank schützen.

    Dass eine Welt in der wir alle Bitcoin nutzen würde noch unfassbar krasser ungerecht wäre (die Ungleichheit derjenigen, die frueh gekauft hätten gegenüber dem Rest würde alles was wir bisher als Ungleichheit kennen um Dimensionen übersteigen!), sagt einem natürlich niemand. Ferner wird der Bitcoin nur von Akteuren beworben, die sich erhoffen, selbst spätere auf der richtigen Seite dieser Ungleichheit zu stehen.

    Auch in El Salvador gibt es niemanden der Bitcoin ernsthaft zum bezahlen verwendet. Wenn es ihnen um Technologie ginge, dann könnten sie ja Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel erlauben und fördern ohne es zu kaufen. Aber es geht eigentlich nur darum den Kurs zu pumpen um später das ganze wieder auf andere "Investoren" teurer zu dumpen.

    Das gute ist, dass es ökonomische belegbar und berechenbar ist, dass dieses Art denzentrales Ponzi-Spiel irgendwann zusammenbrechen wird. Ich beschäftige mich schon lange mit dem Thema und bin gerne bereit weitergehend dazu zu beraten @redaktion. Das Problem ist doch dass man nichts gewinnt davon, wenn man auf die vielen Probleme hindeutet; auf der anderen Seite ist jeder "Investor" wie in guter MLM-Manier ein glühender Befürworter.

    • @jejay:

      Ich möchte übrigens den El Salvadorianern keine Dummheit unterstellen. Vielleicht hoffte man darauf, dass weiter Staaten aufspringen würden und man dann nach weiteren kräftigen Kursgewinnen wieder aussteigen und so seine Staatsfinanzen aufbessern könnte. Der Umfang von reichlich 100Mio US-Dollar lässt eher auf Zockerei schließen als auf eine Umstellung des gesamten Währungssystems. Der Staatshaushalt betrug laut Wikipedia 2016 über 6Mrd $$$.

    • @jejay:

      Sie scheinen mir auch qualifizierter als die taz-Redaktion bezüglich Crypto-"Währungen" zu sein. Ich hoffe Ihr Vorschlag wird angenommen.

      Aber einen kleinen Einwand habe ich doch. "Die ganze Crypto-Geschichte" geht doch etwas weiter in die Vergangenheit zurück und ist etwas mannigfaltiger. Es gab und gibt sinnvolle Nischenanwendungen für eine niemals vergessende Blockchain. Erst als jemand auf die Idee kam, ein solches Write-Only-Datenbankkonstrukt als Grundlage für eine Währung zu verwenden, deren realer Gegenwert, der verknappende Faktor also, Elektroenergieverbrauch ist (um wie weiter unter schon erwähnt nicht weiter nützliche mathematische Rätsel zu lösen), wurde es kriminell. Dass sich Proof-Of-Senseless-Work-Geld aus vielerlei Gründen überhaupt nicht als "Währung" eignet, weiss jetzt spätestens auch die Regierung von El Salvador.



      Aber das Grundkonzept ist nicht falsch oder böse. Und basiert nicht auf rechter Verschwörungsideologie.

  • Diese Proteste waren vollkommen richtig. Bitcoin ist reine Spekulation und eine Idee der Libertarians.



    Diverse Länder haben dieses Luftgeld bereits verboten.

  • Dieses schöne, furchtbare Land kann man nur besetzen.

  • Wie meinte der Chef von JPMorgan, Jamie Dimon: "Der Bitcoin ist wertlos".



    www.deraktionaer.d...tlos-20238815.html

    El Salvador wird wohl weiter ins Abseits trudeln.

    Bitcoin ist superkapitalistisch und ein Ausbeutungssystem ganz eigener Art. Kryptos sind in jeder Weise dreckig.



    Es gibt übrigens längst über 10.000 diverse Kryptowährungen. Nettes Spiel für Spekulanten.

    Bitcoin ist toll für Kriminelle aller Art um ihr dreckiges Geld temporär zu speichern und zu waschen.



    Wie sicher ist Bitcoin? Ein Hacker müsste 51  Prozent der Energie des Netzwerks aufbringen, was als unmöglich gilt. Genau das ist das Problem. Bitcoin basiert auf dem Energiekonsum. Das Netzwerk wird durch Miner aufrechterhalten. Die bekommen als Belohnung Bitcoins, wenn sie Rätsel gelöst haben. Wer die meiste Energie aufwendet und somit die grösste Umweltverschmutzung verursacht, hat die besten Chancen auf die Belohnung.

    Bitcoin verbraucht so viel Strom wie Argentinien mit seinen 45 Millionen Einwohnern. Mit exponentiellen Zuwachsraten.

    Eine einzige Überweisung in Bitcoins verbraucht so viel Energie wie 700.000 Kreditkartenüberweisungen



    .



    Der Strom dafür kommt hauptsächlich aus den dreckigsten Kohlekraftwerken der Welt

    Der Bitcoin ist der schwachsinnigste, schädlichste und überflüssigste real existierende Anachronismus.



    Katastrophaler Unsinn im Zeitalter der Klimakatastrophe.

    Und gehört sofort reguliert, eingestampft und auf seinen inneren Wert "Null" korrigiert.

  • Wer zockt kann auch verlieren.