Ägyptisch-britischer Aktivist in Haft: Nun will sich Keir Starmer einmischen
Alaa Abdel Fattah sitzt seit über fünf Jahren im Gefängnis. Seine Mutter macht mit einem Hungerstreik darauf aufmerksam – und könnte Hilfe bekommen.
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Laila Soueif, 68 Jahre alt und selbst politische Aktivistin, nannte die anhaltende Inhaftierung ihres Sohnes eine „offizielle Entführung“ und erklärte: „Jeder weitere Tag, den Alaa im Gefängnis verbringt, ist ein eklatanter Verstoß gegen das ägyptische Gesetz und seine Menschenrechte.“ Die Dauer der Haftstrafe, zu der er 2022 verurteilt wurde, lief am 29. September 2024 eigentlich ab – dennoch sitzt er weiter ein. Denn die ägyptischen Behörden haben einfach seine Haft bis 2027 verlängert, indem sie die Haftzeit neu berechneten.
Nachdem ihr Sohn im September nicht freigelassen wurde und alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft schienen, so Laila Soueif, habe sie zum Hungerstreik gegriffen. Ihre Tochter, die Aktivistin Sanaa Seif, hat beim Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi außerdem ein Gnadengesuch für ihren Bruder eingereicht.
Schon im vergangenen Jahr hatte Soueif in einem offenen Brief an die Regierungen Ägyptens und Großbritanniens gewarnt, dass eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes beide Länder international in eine peinliche Lage bringen könnte. Sie forderte wiederholt Großbritannien auf, seine Verpflichtungen gegenüber ihrem Sohn zu erfüllen. Der ist seit 2022 britischer Staatsbürger, da Soueif selbst in London geboren wurde.
Mit Gesetzen gegen Aktivisten
Das Muster, mit dem Ägypten gegen Alaa Abdel Fattah vorgeht, ist ein bekanntes. Mohamed Lotfy, Vorsitzender der ägyptischen Kommission für Menschenrechte und Freiheiten, erklärt im Gespräch mit der taz: Das Regime greife auf ein umfangreiches rechtliches Arsenal zurück, um die Unterdrückung der Opposition und die Zensur von Meinungen zu rechtfertigen. „Die Gesetze in Ägypten wurden so gestaltet, dass sie wie Garantien für Gerechtigkeit erscheinen, aber in Wirklichkeit werden sie als Unterdrückungsinstrumente verwendet. Vom Antiterrorgesetz bis zum Gesetz über Cyberkriminalität enthalten diese Gesetze vage Begriffe, die es den Behörden ermöglichen, jede Person der ‚Nationalen Sicherheitsbedrohung‘ oder der ‚Verbreitung falscher Nachrichten‘ zu beschuldigen“, so Lotfy.
Das Antiterrorgesetz gewährt den Behörden weitreichende Befugnisse – etwa die Möglichkeit, Menschen ohne richterlichen Beschluss festzunehmen und private Kommunikation zu überwachen. Das Gesetz über Cyberkriminalität ist ein Instrument, um die Meinungsfreiheit im Internet zu kriminalisieren. „Jeder Beitrag in sozialen Medien kann als Straftat angesehen werden“, sagt Lotfy. Das schaffe ein Klima der Angst, in dem sich die Menschen davor scheuen, ihre Meinung zu äußern.
Auch das Versammlungsgesetz, sagt Lotfy, erlege der Organisation von friedlichen Protesten fast unmögliche Einschränkungen auf: „Dieses Gesetz wird nur gegen die Opposition angewendet. Während Proteste, die das Regime unterstützen, ohne Einschränkungen erlaubt sind“.
Eines der gefährlichsten Unterdrückungsinstrumente ist aber laut Lotfy der Missbrauch der Untersuchungshaft. „Das Gesetz legt eine zeitliche Obergrenze für die Untersuchungshaft fest, aber diese Grenze wird regelmäßig verletzt. Untersuchungshaft wird zu einem Mittel der willkürlichen Inhaftierung. Sie wird immer wieder automatisch verlängert, ohne dass es eine richterliche Kontrolle gibt.“ Laut Mohamed Lotfy ist eine umfassende Reform des ägyptischen Justizsystems dringend erforderlich. Dazu gehöre die Abschaffung menschenrechtswidriger Gesetze, die Unabhängigkeit der Justiz und die Verbesserung der Haftbedingungen.
Mit Salzlösung gegen Dehydrierung
Während über die Freilassung Abdel Fattahs verhandelt wird, hat dessen 13-jähriger Sohn Khaled bereits fast seine gesamte Kindheit ohne seinen Vater verbracht. Khaled leide als Autist besonders unter der Abwesenheit seines Vaters, sagt die Familie. Laila Soueif erklärte der taz: Der Kontakt zu seinem Vater sei für Khaled von entscheidender Bedeutung, um mit den Herausforderungen des Lebens besser zurechtzukommen.
Soueif verweigert derweil weiterhin jegliche Kalorienaufnahme. Nur Kräuter und eine Salzlösung nimmt sie zu sich, um den Dehydrierungseffekt des Streiks zu bekämpfen, erklärte sie der taz. Sie habe sich bewusst für diese minimalistische Ernährung entschieden, um ihre Gesundheit zumindest etwas zu stabilisieren und den extremen Auswirkungen des Hungerstreiks entgegenzuwirken. Dennoch verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand zunehmend. Keir Starmer sollte in seinen Bemühungen nicht zu viel Zeit verlieren.
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