Abwasser in Berlin: Sauberes Wasser, KARL sei Dank
Die Berliner Wasserbetriebe haben mit dem Bau der „4. Reinigungsstufe“ in ihren Klärwerken begonnen. Sie folgen damit neuen Vorgaben der EU.
Den Job macht das Klärwerk – nach Waßmannsdorf bei Schönefeld und Ruhleben das drittgrößte der BWB – schon ganz gut. Gut genug ist das Ergebnis trotzdem nicht, um den strengen Qualitätsansprüchen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie zu entsprechen. Deshalb entsteht in Schönerlinde gerade die sogenannte 4. Reinigungsstufe, die auch noch das aus dem Wasser ziehen soll, was sonst in Seen, Flüssen und teilweise auch im Grundwasser landen würde.
Dabei geht es um Phosphate, die die bisherigen Klärverfahren nicht vollständig beseitigen können, aber auch um eine Vielzahl an Chemikalien vor allem aus Medikamenten oder Kosmetika. Diclofenac – als Schmerzmittel in Form von Tabletten oder Salben erhältlich – gehört ebenso dazu wie Valsartansäure, ein Abbauprodukt verschiedener blutdrucksenkender Medikamente, die Tag für Tag millionenfach geschluckt werden.
Zu sehen gab es bei einer Begehung der Baustelle am Donnerstag durch Berlins Umweltstaatssekretär Andreas Kraus und den BWB-Vorstand in erster Linie ein Gebäude im Rohbau sowie eine riesige Grube. Ersteres wird ab 2027 eine Ozonungsanlage beherbergen: Das aggressive Gas mit seinen Molekülen aus drei Sauerstoffatomen wird vor Ort hergestellt und dem vorgeklärten Abwasser zugesetzt. Dabei spaltet es die problematischen Spurenstoffe auf. Deren Bruchstücke sind dann entweder biologisch abbaubar, oder sie werden per „Flockungsfiltration“ aus dem Wasser geholt.
Für dieses Verfahren wurde die Grube ausgehoben – hier soll 2029 eine entsprechende Anlage in Betrieb gehen. Durch den Zusatz von Fällmitteln – bestimmter Metallsalze – werden die bei der Aufspaltung entstehenden Reststoffe gebunden, sie landen dann im Klärschlamm, der vergoren und letzten Endes in Kraftwerken verbrannt werden kann. BWB-Sprecher Stephan Natz weist darauf hin, dass damit erst die volkstümliche Vorstellung, ein Klärwerk „filtere“ Schmutz aus dem Wasser, ihre Berechtigung erhält: „Erst wenn dieses Loch mit Leben gefüllt ist, wird tatsächlich gefiltert.“
Laut den BWB und der Forschungseinrichtung Kompetenzzentrum Wasser Berlin (KWB) nimmt Berlin damit tatsächlich die Zukunft vorweg: Die zu Jahresbeginn in Kraft getretene europäische Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) verlangt, dass alle Klärwerke bis spätestens 2045 mit einer 4. Reinigungsstufe ausgestattet werden. Allerdings muss das nationale Recht erst bis Mitte 2027 entsprechend angepasst worden sein. Vor allem bei der Frage der Finanzierung sind hier noch einige Fragen offen.
Die Verursacher sollen zahlen
Denn eigentlich sollen Pharma- und Kosmetikhersteller nach dem Verursacherprinzip 80 Prozent der Investitionskosten bezahlen. Dagegen wird aber von der Industrie erwartbarerweise schon geklagt. In Schönerlinde geht das Land für Ozon und Flockung derweil mit rund 180 Millionen Euro in Vorleistung, in den kommenden Jahren folgen weitere große Brocken an den übrigen Klärwerksstandorten.
Gerhard Mauer, Chef der Abwasserentsorgung bei den BWB sieht sein Unternehmen jedenfalls mit den laufenden Projekten bestens gerüstet, selbst für den Umgang mit Substanzen, die heute vielleicht noch gar nicht hergestellt werden: „Mit dieser Kombination haben wir die größte Flexibilität.“ Im Prinzip, so Mauer, sei es übrigens auch möglich, das im Wasserwerk geförderte Trinkwasser zu reinigen – „aber besser ist es auf jeden Fall, problematische Stoffe gar nicht erst in die Natur gelangen zu lassen.“
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