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Abtreibung in PolenLügen für die „Moral“

Sogenannte Lebensschützer*innen spielen sich als Tugendwächter auf und verunglimpfen Homosexuelle als Pädophile.

Wer sich in Polen mit homosexuellen Symbolen zeigt, lebt gefährlich Foto: dpa

Warschau taz | Das Bündnis rechtsklerikaler „Stop Pedofilii“-Aktivisten mischt Polen nicht zum ersten Mal auf. Schon 2016 forderte die gleiche Organisation unter dem Namen PRO ein totales Abtreibungsverbot und brachte ein entsprechendes Gesetzesprojekt ins Parlament ein. Damals wie heute akzeptierte Polens nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) das Papier und leitete es nach der ersten Lesung an einen Ausschuss zur Überarbeitung weiter.

Im ganzen Land rumorte es deswegen. Hunderttausende Frauen gingen 2016 auf die Straße. Die „schwarzen Märsche“ brachten das „Stop Aborcji“-Projekt zu Fall. Begleitet werden die zahlreichen PRO-Aktionen, dessen treibende Kraft der Politiker Mariusz Dzierżawski ist, von Großbildfotomontagen, die Ekel und moralische Entrüstung auslösen sollen. Meist sind es Hitler-Konterfeis mit toten Föten in einer Blutlache.

Die Plakate werden meist vor Krankenhäusern aufgestellt, in der Nähe von Schulen und katholischen Kirchen. Der Forderung „Stopp Abtreibung!“ zum Trotz sind auf den Bildern aber fast ausschließlich Spontanaborte zu sehen, also keine abgetriebenen Föten.

Der selbsternannte Moral­apostel Dzierżawski kämpft seit 1998 gegen die „moralische Verdorbenheit“ in Polens Gesellschaft. Er wollte Männer- und Porno-Magazine verbieten lassen, ebenso Paraden der LGBT-Bewegung in Polen, jede Form der Abtreibung – und jetzt die Sexualerziehung von Kindern und Jugendlichen in den Schulen. Diese nämlich, so suggerieren die neuesten Großplakate der Stiftung, lägen in der Hand der „LGBT-Lobby“.

Plakat mit homophoben Botschaften

Angeblich wolle diese Lobby Vierjährigen das Masturbieren beibringen, Sechsjährigen das Einverständnis zum Sex abringen und Neunjährigen erste sexuelle Erfahrungen vermitteln. Ein anderes homophobes Plakat zeigt zwei nackte Männer, die Hände haltend mit einer Regenbogenflagge auf der Straße spazieren gehen. Dazu Texte wie diese: „Päderasten leben 20 Jahre kürzer“. „So wollen sie deine Kinder erziehen. Halten wir sie auf!“ Oder: „91 Prozent aller von Lesben und 25 Prozent von Päderasten erzogenen Kindern werden sexuell missbraucht“.

Zwar ordnete ein Gericht in Danzig an, dass homophobe Plakate und mit Folien beklebte Lieferwagen der PRO-„Lebensschützer“ aus dem Straßenbild Polens verschwinden müssen. Doch ein endgültiges Urteil ist noch nicht gesprochen. Die Gleichsetzung von rechtskräftig verurteilten Pädophilen mit Schwulen, Lesben und Sexualaufklärern durchzieht auch die „Stop Pedofilii“-Gesetzesinitiative der Stiftung. Polens Nationalpopulisten im Parlament scheinen das bislang nicht bemerkt zu haben. Oder sie wollten es nicht bemerken.

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2 Kommentare

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  • Rechts-klerikales Bündnis? Toll, dann können sie doch erst mal in ihren eigenen Reihen anfangen und gegen pädophile Priester kämpfen. Bis sie den Sumpf trocken gelegt haben, sind sie sicher gut beschäftigt und alle anderen können in Ruhe ihre Leben leben.

    • @Katrina:

      Sie haben vollkommen recht, wir haben hier noch genug zu tun, bis beide Staatskirchen jegliche Macht, Einfluss und Vermögen verloren haben und nur noch von der Kanzel zu ein paar wenigen alten Zauseln predigen können.