Abstiegsduell SC Freiburg – Paderborn: Aufstand der Biedermänner
Nach dem 2:1-Erfolg in Freiburg hat der SC Paderborn wieder beste Perspektiven. Die kollektive Missachtung scheint motivierend zu wirken.
FREIBURG taz | Natürlich haben auch am Samstagabend viele Menschen mit Sympathien für den Gegner des SC Paderborn ein Lamento angestimmt, das häufig zu hören ist, wenn der Aufsteiger als Sieger vom Platz gegangen ist. „Wenn man gegen so eine Mannschaft verliert, hat man es auch nicht verdient, in der Bundesliga zu spielen“, sagte dann auch ein SC-Fan in der Sonderbahn zum Freiburger Bahnhof.
Und besonders düster stimmte ihn die Vorahnung, dass es sein Verein bald mit noch schrecklicheren Gegnern zu tun bekommt: „Nächstes Jahr spielen wir gegen Sandhausen.“ Und der SC Paderborn, der jahrelang zuverlässig als Inbegriff der schnöden Zweitklassigkeit gegolten hatte, darf sich nun ein weiteres Jahr mit der deutschen Fußball-Elite messen?
Nach dem 31. Spieltag und dem 2:1-Sieg im Badischen deutet zumindest einiges darauf hin. Zwar spielte Paderborn tatsächlich, wie „so eine Mannschaft“ nun mal spielt – in Sachen Technik, Spielwitz und individueller Klasse rangiert Paderborn nun mal in anderen Dimensionen als etablierte Bundesligisten. Doch wie das Team, das schon im ersten Durchgang zumindest eine solide Grundordnung hatte, nach dem katastrophalen Beginn das Spiel drehte, davor konnte man schon Respekt haben. Der SC Freiburg hatte zwar 62 Prozent Ballbesitz und lag auch bei allen anderen Parametern in Führung – doch das bewies einmal mehr nur, wie wenig solche Zahlen beweisen.
Viel Platz hatte Freiburg jedenfalls nicht gegen die geschickt verschiebenden Westfalen, die sich „bis zum Schlusspfiff völlig verausgabt“ hatten (Eigenwahrnehmung des Verteidigers Uwe Hünemeier) und zudem mit Lukas Rupp (zwei Tore) und Mahir Saglik zwei Spieler eingewechselt hatten, die im Gegensatz zu manch Freiburger Schleifen-Dreher das Ziel des Spiels begriffen haben: Sie schossen zwei Tore. Und siehe da: Paderborns Geschäftsführer Michael Born, der in der Halbzeit wortlos eine Zigarette nach der anderen angesteckt hatte, blickte plötzlich fröhlich drein und verwickelte den ein oder anderen Fußballinteressierten ins Fachgespräch.
Dass die biedere Equipe aus den ersten 45 Minuten nach dem Seitenwechsel plötzlich den SC wie einen designierten Zweitligisten aussehen ließ, mag auch an der Pausenansprache des Trainers André Breitenreiter gelegen haben, die sowohl die kurzfristige („So geht es nicht“) als auch die langfristige Perspektive („So wird es kein weiteres Jahr in der Bundesliga geben“) berücksichtigte. Möglicherweise hatte der smarte Exprofi auch durchblicken lassen, dass man mit der Leistung vom ersten Durchgang drauf und dran wäre, all den Paderborn-Verächtern einen großen Gefallen zu tun. Wäre doch auch schön …
Mit Kondition und mentaler Stärke
Dem ostwestfälischen Personal, das von etwa 1.500 freundlichen Anhängern in den Südwesten begleitet wurde, war dann nach dem Schlusspfiff auch anzumerken, dass die kollektive Missachtung der Branche im Binnenklima des Aufsteigers leistungsfördernd gewirkt haben muss. Dass Paderborn „schon als abgestiegen galt“ und „in manchen Umfragen gar nicht mehr vorkam“ (Trainer André Breitenreiter), hat offenbar eine Trotzreaktion ausgelöst.
Zuletzt holte der freundliche Herr Breitenreiter mit „so einer Mannschaft“ sieben Punkte aus vier Spielen. Und dabei fällt auf, dass der SCP ausgerechnet gegen die Vereine, mit denen er nun die zwei bis drei Absteiger ausspielt, eine besonders gute Bilanz hat. Schon im August gelang ein 3:0-Sieg beim HSV, gegen Hannover 96 holte man alle sechs Zähler, gegen den SC Freiburg vier. Nach dem 0:0 im Hinspiel beim VfB Stuttgart hätte man nun nichts dagegen, wenn am letzten Spieltag mit einem Sieg gegen die Schwaben der Klassenerhalt gesichert werden könnte. Unverdient wäre das dann nicht, auch wenn die Paderborner spielerisch selbst mit Mannschaften wie Freiburg oder Stuttgart wohl nicht mithalten können. Aber sie sind gut organisiert, laufstark und konditionell auf der Höhe.
Vor allem aber scheinen sie über eine mentale Stärke zu verfügen, die im Abstiegskampf wichtiger ist als schöne Spielzüge und Ballstafetten. „Jetzt haben wir es selbst in der Hand“, freute sich dann auch Offensivmann Moritz Stoppelkamp. „Jeder hier ist gierig darauf, die Sensation zu schaffen.“ Das könnte in dieser Spielzeit schon reichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!