Abschied von Friedensnobelpreisträger: Elie Wiesel mit 87 Jahren gestorben
Der Holocaust-Überlebende Wiesel hatte für seinen Kampf gegen Gewalt und Unterdrückung den Nobelpreis erhalten. Sein Tod wurde am Samstag bekannt.
Der in Rumänien geborene Wiesel hatte in seinen Memoiren „Die Nacht“ die Geschichte seiner Internierung in Auschwitz als Teenager erzählt. Das Werk war eines der meistgelesenen und meistdiskutierten Bücher des 20. Jahrhunderts.
Wiesel wurde 1945 befreit, doch seine Mutter, sein Vater und eine seiner Schwestern waren in deutschen Konzentrationslagern ums Leben gekommen. Zwei andere Schwestern überlebten. Wiesel schrieb mehr als 40 Bücher, zudem hielt er weltweit Vorträge. Mit seinem dunklen, traurigen Augen wurde sein Gesicht zu einer lebenden Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten.
1986 hatte Wiesel für seinen Kampf gegen Gewalt und Unterdrückung den Friedensnobelpreis erhalten. Damals sagte er: „Ergreift Partei, wann immer und wo auch immer Menschen Leid und Demütigung ertragen müssen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Schweigen ermutigt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“
Mehr als 50 Jahre lang versuchte er leidenschaftlich, Staats- und Regierungschefs, Prominente und Völker in aller Welt von seinen Ansichten zu überzeugen. Von seinen Büchern hatte „Die Nacht“ den meisten Einfluss. Das Werk gilt wie das Tagebuch der Anne Frank als Standardlektüre zum Holocaust.
Es war Wiesels erstes Buch. Knapp zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann er mit dem Verfassen – zu einer Zeit, als die KZ-Erfahrungen für viele Überlebende noch zu frisch und unverarbeitet waren, als dass sie darüber sprechen geschweige denn schreiben konnten.
Weltweite Würdigung
Weltweit würdigten Spitzenpolitiker den Verstorbenen. US-Präsident Barack Obama nannte Wiesel „eine der größten moralischen Stimmen unserer Zeit und in vielerlei Hinsicht das Gewissen der Welt“. Der Verstorbene habe während seines Lebens seine Stimme nicht nur gegen Antisemitismus, sondern auch gegen Hass, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz aller Formen erhoben, erklärte Obama.
Als „einen Meister der Wörter“ bezeichnete ihn Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. „In der Finsternis des Holocausts, als unsere Brüder und Schwestern – die sechs Millionen – umkamen, diente Elie Wiesel als ein Lichtstrahl und ein Beispiel für Menschlichkeit, das an das Gute im Menschen glaubt.“
Der israelische Präsident Reuven Rivlin nannte ihn „einen Helden des jüdischen Volkes und einen Riesen der gesamten Menschheit“. Rivlins Vorgänger Schimon Peres erklärte, Wiesel habe seinen Abdruck auf der Welt hinterlassen, indem er das Erbe des Holocausts bewahrt und aufrechterhalten habe. Zudem habe Wiesel eine Botschaft des Friedens und Respekts zwischen Menschen in aller Welt verkündet.
Der französische Staatspräsident François Hollande erklärte, Wiesel habe eine ganz besondere Beziehung zu Frankreich gehabt, da er dort nach dem Krieg studiert und später die erste Edition von „Die Nacht“ veröffentlicht habe. Sein Land bewahre ein ehrendes Andenken an „einen großen Humanisten, einen unermüdlichen Verteidiger des Friedens“. Kanadas Premier Justin Trudeau sagte, Wiesel habe die Erinnerung an den Holocaust-Horror am Leben erhalten.
Auch fernab der Politik wurde Wiesel gewürdigt. Schauspielstar George Clooney erklärte: „Wir hatten einen Champion, der unseren Schmerz, unsere Schuld und unsere Verantwortung für Generationen auf seinen Schultern getragen hat. Jetzt ist er von uns gegangen. (…) Ich schätze, jetzt liegt es an uns, für die Entrechteten zu kämpfen, die Wahrheit auszusprechen und niemals zu vergessen, wie grausam Menschen zu Menschen sein können. Zur Erinnerung an Elie ist es das Mindeste, was wir tun können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch