Abschiebungen nach Afghanistan: Deal mit Taliban wohl sicher
Berichten zufolge soll bereits in den nächsten Tagen ein Abschiebeflug nach Afghanistan starten. Die Bundesregierung macht gefährliche Zugeständnisse.

taz | Es wäre ein klares Zeichen: Sollte in den kommenden Tagen tatsächlich ein Abschiebeflug nach Afghanistan starten – wovon Berichte von Anwält*innen und Amnesty International ausgehen – könnte das bedeuten, dass der deutsche Abschiebedeal mit dem Taliban-Regime steht. Seit langem verfolgt die Bundesregierung dieses Ziel.
Der deutsche Deal, den die Bundesregierung wohl als Durchbruch ihrer Abschiebeoffensive nach Afghanistan und Syrien feiern wird, ist das Ergebnis monatelanger Verhandlungen. Offiziell als „technische Kontakte“ deklariert, hielt die Regierung die Öffentlichkeit dabei mit spärlichen Informationen und geschickten Formulierungen auf Abstand.
Die Gespräche begannen über das Afghanistan-Verbindungsbüro des Auswärtigen Amtes (AA) in Katar. Dort arbeitet seit Jahren ein Geschäftsträger, ein Diplomat unterhalb des Botschafterrangs, der für Afghanistan zuständig ist. Das Büro entstand, als das AA gemeinsam mit Katar Gespräche zwischen der damaligen afghanischen Regierung und den Taliban anbahnen wollte – flankierend zu den US-Verhandlungen über den Truppenabzug.
Später wurde bekannt, dass der Geschäftsträger auch Dienstreisen nach Afghanistan unternahm. Dafür benötigte er Visa der Taliban, deren Regime die Bundesregierung offiziell nicht anerkennt. Es liegt nahe, dass er dabei auch Vertreter des Regimes traf.
Deutsche Gegenleistungen sind offensichtlich
Im Juli bestätigte ein Sprecher des Taliban-Flüchtlingsministeriums in Kabul einem deutschen Reporter, dass „Vertreter der Bundesregierung“ in seinem Büro waren. Später räumte auch die Bundesregierung ein, dass ihr Geschäftsträger mit den Taliban Kontakt hatte. Dies diente offenbar der Vorbereitung des Abschiebedeals.
Anfang Oktober erklärte das Bundesinnenministerium (BMI), die „afghanische De-facto-Regierung“ habe Rückführungen per Flugzeug grundsätzlich zugestimmt. Nachdem Medien berichteten, dass hochrangige BMI-Beamte in Kabul mit Taliban-Vertretern verhandelt hatten, bestätigte das Ministerium Gespräche über „Verfahrensschritte sowie Anmeldeverfahren zum Rückführungsmechanismus“.
Die Bundesregierung bestreitet Gegenleistungen für den Deal. Doch diese sind offensichtlich. Im Juli 2024 berief die Taliban nicht kooperierende Diplomaten in den afghanischen Vertretungen ab. Berlin erklärte, aus völkerrechtlichen Gründen nichts dagegen tun zu können, übte aber offenbar Druck aus. Im November 2024 trat Botschafter Yama Yari in Berlin zurück. Vor wenigen Tagen folgte Generalkonsul Hamid Nangialay Kabiri in Bonn – unter Protest und mit seinem gesamten Personal.
Bereits im Sommer hatte die Bundesregierung zwei von den Taliban entsandte Konsularbeamte einreisen lassen. Sie betonte, es handle sich nicht um Taliban-Mitglieder, sondern um Mitarbeiter des Kabuler Außenministeriums, die schon unter der Vorgängerregierung tätig waren. Eine schwache Erklärung, denn die Beamten folgen den Weisungen der Taliban und übernahmen faktisch die Leitung der Vertretungen. In Bonn geschah dies am 3. Oktober, als die ursprüngliche Besatzung freihatte.
Das kommt auch der Bundesregierung zugute. Die neuen Konsularbeamten sollen die Identitäten abgelehnter afghanischer Asylbewerber bestätigen, die Deutschland nach Afghanistan abschieben will – künftig regelmäßig per Direktflug.
Der Deal hat eine gefährliche Nebenwirkung: Mit der Übernahme der Vertretungen erhielten die Taliban-treuen Diplomaten Zugriff auf die dortigen Server. Dort liegen Daten vieler in Deutschland lebender Afghan*innen, darunter Regimegegner*innen, sowie Informationen anderer afghanischer Vertretungen in Europa, Kanada und Australien, wie die ARD-Tagesschau auf ihrer Webseite berichtete. Diese hatten sich gegen eine Übernahme durch die Taliban koordiniert.
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