Abschaffung der Wehrpflicht: Richter streiten über Bundeswehr
Ein Kölner Verwaltungsgericht plädiert für die Aufhebung der aktuellen Wehrpflicht. Und wird vom Bundesverfassungsgericht wegen schlechter Begründung abgewiesen.
BERLIN taz | Das Bundesverfassungsgericht sieht derzeit keinen Grund, die Wehrpflicht aufzuheben. Es wies jetzt eine entsprechende Richtervorlage eines Kölner Gerichts zurück. Diese sei schlecht begründet und damit unzulässig.
Das Verwaltungsgericht Köln hatte argumentiert, dass die Wehrpflicht nicht mehr akzeptabel sei, wenn nur knapp jeder fünfte junge Mann überhaupt seinen Wehrdienst ableistet. Wenn die Belastung so ungleich verteilt sei, verstoße dies gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes.
So waren im Geburtsjahrgang 1985 rund 430.000 junge Männer wehrpflichtig. Den Wehrdienst leisteten letztlich aber nur 67.000 junge Männer. Das sind nur 16 Prozent des Jahrgangs.
Die Kölner Richter stellten sich mit ihrer Vorlage gegen das bisher maßgebliche Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Nach dessen Grundsatzurteil von 2005 liegt bereits dann Wehrgerechtigkeit vor, wenn die "verfügbaren" Wehrpflichtigen überwiegend eingezogen werden. Wenn die Lücke zu groß werde, müsse der Gesetzgeber eben die Tauglichkeitskriterien verschärfen oder die Zahl der Wehrdienstausnahmen erweitern. So verfährt derzeit auch die Politik.
Dies wollten die Kölner Richter aber nicht akzeptieren. Der Gesetzgeber dürfe nicht einfach "beliebig" die gesetzlichen Ausnahmen von der Wehrpflicht erweitern. Dies werde dem Gebot der Wehrgerechtigkeit nicht gerecht. Deshalb müsse das Verfassungsgericht einschreiten.
Die Verfassungsrichter kritisierten nun aber, dass sich die Kölner Richter vorschnell auf ein Konzept der Wehrgerechtigkeit festgelegt hätten, bei dem die Zahl der Wehrdienstleistenden nur an der Jahrgangsstärke gemessen werde. Dabei beachte das Kölner Gericht nicht ausreichend, dass die Wehrpflicht ja auch von den Kriegsdienstverweigerern erfüllt wird, wenn diese Zivildienst leisten.
Die Kölner Richter hätten auch übersehen, dass die Wehrgerechtigkeit im Blick auf die gestiegenen Anforderungen der Bundeswehr "verfassungsimmanenten Grenzen" unterliege. Gemeint sind damit die strengeren Tauglichkeitskriterien, die mit Auslandseinsätzen begründet werden.
In der Sache haben die Verfassungsrichter mit diesem Beschluss zwar nichts entschieden. Sie lassen jedoch klar erkennen, dass sie das derzeit praktizierte Konzept der Wehrgerechtigkeit durchaus für plausibel halten.
Im Geburtsjahrgang 1985 waren von 430.000 Wehrpflichtigen 152.000 mehr oder weniger untauglich, davon rund 30.000 aufgrund einer Verschärfung der Anforderungen im Jahr 2004. 54.000 wurden gar nicht gemustert. Es bleiben also rund 220.000 taugliche junge Männer, von denen aber 106.000 den Kriegsdienst verweigerten und deshalb Zivi wurden.
Weitere 8.600 sind im Zivil- und Katastrophenschutz oder bei der Polizei tätig. Die Zahl der sonstigen Wehrdienstausnahmen - unter anderem für Verheiratete und Väter oder wegen begonnener Berufsausbildung - ist mit rund 3.500 relativ gering. Dagegen wurden 28.000 Männer nicht eingezogen, weil sie die Altersgrenze von 23 Jahren erreicht hatten.
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