Absatzkrise der Autoindustrie: Konzentration beschleunigt sich
Der Verkauf von Fahrzeugen in Deutschland sank im Dezember um 22 Prozent, in den Vereinigten Staaten und bei Toyota sogar noch stärker.
Die weltweite Absatzkrise der Automobilindustrie hat Deutschland mit voller Wucht erreicht. Im Dezember 2008 ist der Export deutscher Fahrzeuge um 22 Prozent auf rund 223.000 Pkws eingebrochen, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Dienstag mit. Auch die Inlandsnachfrage sackte kräftig ab: Im letzten Monat des Jahres ging die Zahl der Neuzulassungen um 6,6 Prozent gegenüber dem Vormonat zurück, teilte das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg mit. Im gesamten Jahr 2008 wurden insgesamt 3,09 Millionen fabrikneue Pkws für den Straßenverkehr in Deutschland zugelassen - das entspricht einem Rückgang von 1,8 Prozent.
Auch für das kommende Jahr sind die Aussichten düster. Weltweit erwarten Branchenkenner einen Rückgang von 5 bis 10 Prozent beim Autoabsatz; das dürfte auch die deutsche Industrie treffen. Die hatte sich vor einigen Monaten noch die Hoffnung gemacht, dass die Nachfrage in Russland, Südamerika und China die einbrechenden Märkte in Europa und den USA teilweise ausgleichen könnte. Damit ist nun allerdings nicht mehr zu rechnen, drohen doch Einbußen auf allen wichtigen Märkten. Das dürfte auch Auswirkungen auf die Jobs in der für Deutschland wichtigen Automobilindustrie haben.
Neben der Industrie leiden in Deutschland vor allem die Automobilzulieferer und die Autohändler unter der Krise nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Sie erwarten eine Zunahme der Firmenpleiten von mehr als 20 Prozent in diesem Jahr. Um den zurückgehenden Autoabsatz anzukurbeln, fordert die SPD im Rahmen des Konjunkturprogramms eine zeitweilige Einführung einer Abwrackprämie, wie es sie in ähnlicher Form in Frankreich gibt. Käufer von Neuwagen würden dann eine staatliche Prämie bekommen, wenn sie ihr altes Fahrzeug verschrotten.
Weltweit geht die Talfahrt der Autobranche ungebremst weiter. Neben Deutschland melden auch die USA, Frankreich und Japan sehr deutliche Rückgänge beim Autoabsatz im Dezember. Im wichtigen US-Markt erlitt Chrysler im Dezember mit einem Absatzminus von 53 Prozent den größten Verlust von Käufern. General Motors und Ford verloren über 30 Prozent. Auch Toyota brach um 37 Prozent ein. Auch Volkswagen, BMW, Porsche und Daimler büßten zum Teil kräftig ein, wobei das Minus bei Daimler durch den Erfolg des Miniwagens Smart am geringsten ausfiel.
Die Absatzkrise der Autokonzerne wird den globalen Konzentrationsprozess der Branche beschleunigen. "Künftig wird es weltweit nur noch 10 bis 15 Konzerne geben, darunter 1 oder 2 chinesische", sagt Stefan Bratzel, Autoexperte der Fachhochschule Bergisch Gladbach. Hersteller, die weniger als 4 bis 5 Millionen Fahrzeuge pro Jahr produzierten, dürften in Schwierigkeiten geraten und müssten sich Partner suchen. "Das gilt auch für BMW und Daimler; nur auf das Premiumsegment zu setzen wird nicht funktionieren." Schwierigkeiten dürften auch Fiat, Mitsubishi, Suzuki und Mazda bekommen. Strategisch gut positioniert sind laut Bratzel derzeit nur Renault - das Unternehmen hat eine Allianz mit Nissan -, Toyota und Volkswagen, wo am Montag Porsche die Mehrheit der Aktien übernommen hat. Die Beteiligung an VW stieg auf 50,76 Prozent der Stammaktien. An der Börse stieg die VW-Aktie am Dienstag um 14 Prozent.
Für dieses Jahr sieht Bratzel große Herausforderungen auf die deutsche Autoindustrie zukommen. Einerseits müssten die Konzerne die Produktionskapazitäten an die sinkende Nachfrage anpassen, was auch zu Arbeitsplatzverlusten führen könne. Andererseits müssten sie gerade jetzt in die Entwicklung neuer Modelle investieren - vor allem in spritsparende Motoren und in Elektrofahrzeuge. Wer mit zukunftsweisenden Modellen auf den Markt komme, wenn es wirtschaftlich wieder bergauf gehe, könne sogar von der Krise profitieren. "Jede Krise geht irgendwann zu Ende."
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