Abrüstungsabkommen bedroht: Sorge vor einem neuen Wettrüsten
Nach der Ankündigung von Trump, aus dem INF-Abkommen auszusteigen, werden die Hintergründe bekannt. Die EU warnt vor Eskalation.
Trumps Vorwurf, dass Russland das INF-Abkommen verletze, wies der Sprecher von Präsident Wladimir Putin zurück. Zugleich schloss Peskow ausdrücklich einen atomaren Erstschlag Russlands aus – selbst bei einem drohenden Atomangriff. „Wir werden niemals zuerst jemanden angreifen“, sagte er. Russland behalte sich keinesfalls das Recht vor, „als Erster zuzuschlagen“ und einen „Präventivschlag“ auszuführen.
Trump hatte am Samstag angekündigt, aus dem INF-Abkommen mit Russland auszusteigen. Der 1987 geschlossene Vertrag verpflichtet die USA und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion zur Abschaffung aller landgestützten, atomar bestückbaren Mittelstreckenraketen mit Reichweiten von 500 bis 5.500 Kilometern. Russland und die USA werfen sich seit Jahren gegenseitig vor, gegen das Abkommen zu verstoßen.
Am Sonntag war Trumps Sicherheitsberater zu Gesprächen in Moskau eingetroffen, die am Montag beginnen sollten. Geplant waren Treffen mit Außenminister Sergei Lawrow und dem Chef des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew. Am Dienstag könnte Bolton auch Präsident Putin treffen. Nach Angaben seines Sprechers hofft Putin auf „Erklärungen“ zu Trumps Plänen.
Bolton angeblich Urheber
Der britischen Zeitung The Guardian zufolge hat Bolton den US-Präsidenten zum Ausstieg aus dem INF-Vertrag bewogen. Der Hardliner Bolton habe zudem Gespräche über eine Verlängerung des 2021 auslaufenden neuen Start-Vertrags blockiert. Das 2010 geschlossene Abkommen sieht eine Reduzierung der nuklearen Gefechtsköpfe auf 1.550 vor.
Die EU-Kommission appellierte an die USA und Russland, das Abkommen zu „erhalten“. Beide Seiten müssten in einem „konstruktiven Dialog“ bleiben und für eine „vollständige und nachweisbare“ Umsetzung sorgen, sagte Kommissionssprecherin Maja Kocijančič.
Alexander Golts, Militärexperte
Der Vorsitzende des Rats für Außen- und Verteidigungspolitik, Fjodor Lukjanow, glaubt, die USA stiegen aus dem Vertrag aus, weil er zurzeit nur Russland und die USA einschränke. Bedrohungen gingen aus US-Sicht von anderen Orten wie China aus. Als Nicht-Unterzeichner ist Peking nicht an das Abkommen gebunden und kann ohne Einschränkungen Mittelstreckenraketen bauen.
„Bilaterale Verträge müssen geändert werden, sie sind nicht mehr aktuell. Wir haben es nicht mehr mit dem Kalten Krieg zu tun“, so Lukjanow. Aus dem Grund könnte auch der Rüstungskontrollvertrag New Start 2021 nicht verlängert werden.
Mögliches Wahlkampfmanöver
Die Reaktionen waren in und um den Kreml insgesamt eher verhalten. Panische Reaktionen wegen der Ausstiegsankündigung seien nicht angebracht, sagt der russische Außenpolitikexperte Wladimir Frolow. Verteidigungsminister Sergei Schoigu und US-Verteidigungsminister James Mattis hätten sich schon vor drei Jahren darüber verständigt.
Militärexperte Alexander Golts sieht unterdessen die Gefahr, dass Mittelstreckenwaffen unter US-Ägide nach Europa zurückkehren und Petersburg erreichbar sein könnte. „Wir sind wieder in der Zeit der Kubakrise angelangt, als es noch keine Rüstungskontrollabsprachen gab“, so Golts.
Kritisch nimmt der Abrüstungsexperte Alexei Arbatow das Vertragsende voraus. Die geopolitische Lage habe sich seit 30 Jahren verändert. Jetzt sei es möglich, westlich, dicht an der Grenze zu Russland und im Osten am Pazifik Systeme aufzubauen. Dennoch sei es noch keine Katastrophe. Er wundere sich aber, wie sich früher Politiker aktiv zum INF-Vertrag äußerten. Heute gebe es bestenfalls mal Kritik.
Die Idee eines Ausstiegs sei schon lange in den USA besprochen worden, meint William Smirnow von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Vor den Kongresswahlen wolle Trump noch punkten. „Auf das Verhältnis zwischen Trump und Putin wirkt sich das aber nicht aus. Auch wenn Putin vielleicht etwas für das heimische Publikum sagt.“
Ganz so gelassen sieht Arbatow das Vertragsende indes aber nicht. Auch Petr Topytschkanow vom Moskauer Carnegie-Zentrum gibt zu bedenken, dass es sehr schwierig werden könnte, den Dialog nach dem Ausstieg mit allen Beteiligten weiterzuführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance