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Abgesang des britischen PremiersCamerons letztes Lippenbekenntnis

Britannien, ja, ganz Europa rätselt über das Gesumme des scheidenden Premiers. Eine versteckte Hiobsbotschaft? Oder Ausdruck eines guten Charakters?

Wer auf sein Amt pfeift, kann auch beim Abgang summen Foto: ap

Böse Menschen habe keine Lieder: Geht es nach diesem Spruch, ist David Cameron ein guter Premierminister. Da spielt es auch keine Rolle, dass selbst ausgewiesene Musikexperten nicht genau sagen können, welches Stück der Premierminister in der Downing Street am Montag angestimmt hat. Cameron trat dort vor die Presseschar, eigentlich, um seinen sofortigen Rücktritt und Theresa May als Amtsnachfolgerin anzukündigen. Was nun allerdings für Rätsel sorgt, passiert danach: Als Cameron sich von den Kameras abwendet, um zurück zur Haustür zu schreiten, zeichnet das Mikrofon eine von ihm gesummte Melodie auf: “Do – Do – Do – Do“.

Beobachter sind uneins, welche versteckte Botschaft der scheidende Premier hinterlassen will. Der Streit beginnt schon bei der richtige Notation der Melodie, die wahlweise als „Do, do, do, do“ (dpa) oder doch als punktiertes „do, doo, do, doo“ (welt.de) interpretiert wird. Rob Hutton von der Nachrichtenagentur Bloomberg's erinnert die Lautmalerei an die Titelmelodie der US-amerikanischen Politserie „West Wing – im Zentrum der Macht“, die den Konflikt des US-Präsidenten mit seiner Beraterriege dramenhaft umsetzt. Will Cameron damit etwa auf die Vorwürfe verweisen, er habe aus reiner Machtgier das Schicksal Europas herausgefordert? Oder möchte er sich gar selbst für eine Rolle als Reality-Soap-Politiker bewerben?

Das Wort „Right“, ist jedenfalls als letztes zu hören, als Cameron hinter der Tür von Downing Street 10 das Mikrofon wieder abgenommen wird. Dem musikalischen Lippenbekenntnis Camerons könnte man also rationale Motive unterstellen, muss man aber nicht. Robert Peston vom Sender ITV zum Beispiel, fühlt sich durch das Cameronsche Gedudel eher an den honigschleckenden Winnie Puuh erinnert. Die Figur des Bären „von sehr geringem Verstand“ entstammt einem Kinderbuch des Autors Alan Alexander Milne aus dem Jahr 1926.

Andere Twitter-User wollen einen Querverweis zur Popkutur der Thatcher-Ära raushören. 1980 reflektierte die britische Band Police die politische Stimmung im Land mit ihrem Hit „de do do do de da da da“. Die New-Wave-Ikonen würdigen darin die Schönheit von Worthülsen, gerade in Momenten, wenn die Eloquenz ihre Grenzen erreicht hat: „Words are hard to find. They're only cheques I've left unsigned. From the banks of chaos in my mind“, singt Police-Frontmann Sting. Oft seien es die Worte von Politikern, so heißt es in den Lyrics weiter, „deren Logik Dich vergewaltigen“. Hat Cameron also etwa gegen den populistischen Sprachgebrauch seiner Parteikollegen angesummt?

„Beethovenesque Unruhe“ in der Downing Street

Der britische Klassikradio-Sender „classic.fm“ hat einen ganz anderen Verdacht. Musikredakteure haben Camerons Summ-Einlage in Noten übersetzt und verpassen ihr nach einer stilistischen Analyse den Titel „Cameron's Lament“, Camerons Klagelied. Es handle sich dabei um einen Dreiviertel-Takt, der eigentlich für Aktivität und eine positive Stimmung stehe, so der Sender. Allerdings würde ein harmonisch „verwirrender“ Sprung, eine „Wagner-artige Fanfare“, die gar „Beethovenesque“ sei, für Unruhe sorgen. Dadurch verliere das Klagelied an Selbstsicherheit, die in einem „erschütterndem Right“ ende. Das Gesumme könne als möglicherweise ein Hinweis darauf sein, wie es in der Downing Street 10 weitergehen wird.

Die Analyse des Radio-Senders hat inzwischen zahlreiche britische Musikern zu einer eigenen Interpretation der Cameron-“Doos“ bewegt. Thomas Hewitt Jones hat aus den vier Noten ein elegisches Werk für Klavier und Cello komponiert, das in knapp zweieinhalb Minuten ein gefühlvolles Requiem für den Premier anstimmt. Die venezolanische Pianistin Gabriela Montero, bekannt für ihr Improvisationstalent, verwandelte Camerons Klagelied gar in ein barockes Meisterstück. Unter dem Hashtag #cameronslament tauchen bereits erste Hip-Hop und Dub-Step-Remixes zum melodischen Abgang des britischen Premiers auf.

Will der scheidende Premier nicht gar ein Zeichen nach Deutschland senden und summt möglicherweise die britische Version des Neue-Deutsche-Welle Hits „Da, da, da“? Mit den Zeilen „Ich lieb Dich nicht, Du liebst mich nicht“ landete die Band Trio in den frühen 80er Jahren einen Überraschungerfolg in Großbritannien. Wahrscheinlicher aber ist eben doch, dass der scheidende britische Premier einfach nur einen guten Willen zeigen will, um am Ende als nicht ganz so böser Mensch in die Geschichtsbücher einzugehen.

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